RICHARD BOORBERG VERLAG

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15.04.2024

Gewinnschätzung eines Supermarkts bei EÜR-Rechnung

   

Schätzungsbefugnisse ergeben sich nicht schon aus formellen Mängeln, weil der Antragsteller seine Verpflichtung zur Aufbewahrung von mit der Geschäftskasse erstellten digitalen Einzelaufzeichnungen verletzt hätte.

L betreibt einen Lebensmitteleinzelhandel. Er ermittelte seinen Gewinn in den Streitjahren 2016 bis 2019 durch Einnahmen-Überschuss- Rechnung (EÜR; 4-3-Rechnung). Die Tageseinnahmen wurden in Form von manuellen Berichten aufgezeichnet, in die unter anderem auch die Erlöse aus den Tagesabschlussberichten einer Geschäftskasse einflossen. Im Rahmen einer im Jahr 2021 kombinierten Betriebs- und Steuerfahndungsprüfung wurden vereinzelte Tagesabschlussberichte einer weiteren PC-Kasse (ein Betriebssystem, das Daten auf einem internen Datenträger oder per Datenübermittlung extern archivieren kann) aus den Streitjahren aufgefunden. Daneben beschlagnahmte die Steuerfahndung unter anderem zwei Kassen, die offenbar in den Streitjahren zum Einsatz gekommen waren, in denen sich aber keine SD-Karten (Secure Digital Memory Card, also eine sichere digitale Speicherkarte, ein digitales Speichermedium, das nach dem Prinzip der Flash-Speicherung arbeitet) befanden.

Nach Ansicht des Finanzamts hat L gegen die Aufbewahrungspflicht verstoßen, indem er die mit den beiden eingesetzten PC-Kassen gefertigten digitalen Einzelaufzeichnungen nicht auf den zugehörigen SD-Karten gespeichert habe. Aus den aufgefundenen Tagesabschlussberichten sei zudem klar erkennbar, dass L zwei Kassen genutzt habe, aber nur die Tagesabschlussberichte einer Kasse Eingang in die steuerlichen Aufzeichnungen gefunden hätten. Daraufhin ermittelte das Finanzamt unter Zugrundelegung der beschlagnahmten Tagesabschlussberichte einen durchschnittlichen Tageserlös für beide Kassen und rechnete diesen auf einen Jahresgesamterlös hoch.

Im Rahmen des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens gegen die durch das Finanzamt vorgenommenen Hinzuschätzungen erläuterte L insbesondere, dass keine Pflicht zur elektronischen Buchführung bestünde und darüber hinaus formelle Buchführungsmängel keine Schätzungsbefugnis begründen würden. Die Vollziehung der betroffenen Bescheide wurden teilweise ausgesetzt.

Formelle Mängel rechtfertigen keine Schätzungsbefugnis

Eine Schätzungsbefugnis ergibt sich nach der Ansicht der Finanzrichter nicht schon aus formellen Mängeln, weil der Antragsteller seine Verpflichtung zur Aufbewahrung von mit der Geschäftskasse erstellten digitalen Einzelaufzeichnungen verletzt habe.

Die den Antragsteller L treffenden, grundsätzlich steuergesetzübergreifenden umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten stünden unter dem Vorbehalt des Zumutbaren und griffen nicht für Einzelhandelsunternehmer, die im Allgemeinen Waren an ihnen der Person nach nicht bekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkauften. Selbst wenn – was umstritten sei – die Neufassung des § 146 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) Einzelaufzeichnungspflichten auch für Einnahmen-Überschuss-Rechner erzeugen sollte, wären diese ebenfalls aus Zumutbarkeitsgründen suspendiert. Eine andere Beurteilung dürfte sich auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass L in seinem Betrieb eine PC-Kasse eingesetzt habe.

Materielle Fehler rechtfertigen Schätzung

Die Schätzungsbefugnis ergebe sich aber jedenfalls daraus, dass aufgrund materieller Fehler – hier dem Verschweigen der Erlöse einer zweiten Kasse – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, dass die vom Antragsteller L eingereichten Aufzeichnungen und die darauf basierenden EÜR sachlich falsch sind. Gewichtiges Indiz dafür sei außerdem, dass die anhand der EÜR ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze auffällig niedrig seien. Die Höhe der vom Finanzamt angesetzten durchschnittlichen Tageserlöse wurde seitens des Finanzgerichtes lediglich geringfügig unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags korrigiert.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
FG Düsseldorf, Beschluss vom 13.09.2023 – 5 V 1048/23 A