M ist Mathematikstudent und wohnt noch im elterlichen Haushalt. M hat im Jahr 2007 mit dem Online-Pokerspiel (in der Variante „Texas Hold’em“) begonnen. Während M in den Jahren 2007 und 2008 mit kleinen Einsätzen von bis zu 0,50 US-$ Gewinne von ca. 250 US-$ in 2007 und ca. 1.000 US-$ in 2008 erzielte, steigerten sich seine Spieleinsätze im Streitjahr 2009 auf bis zu 50 US-$ und sein Gewinn entsprechend. Dabei erreichte er eine Gesamtspielzeit von 446 Stunden. Er spielte dabei teilweise gleichzeitig an mehreren Tischen und auf mehreren Portalen. Sein Gewinn steigerte sich dabei auf über 80.000 €.
In den nachfolgenden Jahren 2010 bis 2013 intensivierte M seine Online-Pokerspiele weiter und vervielfachte seine Gewinne. Er spielte in diesem Zeitraum bei 17 Online-Portalen mit 29 verschiedenen Benutzernamen; seine Einsätze lagen sodann zwischen 25 und 300 US-$. Insgesamt spielte M im Zeitraum von 2009 bis 2013 784.314 Einzelspiele. Das Finanzamt erfasste seine Tätigkeit bei den gewerblichen Einkünften, da sämtliche Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 2 EstG vorliegen würden. Insbesondere sei M nachhaltig und mit der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tätig gewesen. Außerdem habe er im elterlichen Haushalt eine Betriebsstätte begründet. Aus diesem Grund könne auch nicht von gelegentlicher Beteiligung an Online-Poker-Spielen ausgegangen werden. M wandte sich gegen die Erfassung seiner Gewinne aus dem Online-Poker. Er war der Meinung, es handele sich dabei um ein reines Glückspiel, das nicht zu einkommensteuerlich erheblichen Einkünften führe.
Die Entscheidung
Der BFH bestätigt mit seinem Urteil vom 22.02.2023 die Entscheidung der Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 11.03.2021 – 11 K 3030/15 E, G, EFG 2023 S. 1208) und sieht die Tätigkeit ebenfalls als gewerbliche Betätigung an. Die von M im Streitfall ausgeübte Tätigkeit als Online-Pokerspieler ab Oktober 2009 sei als gewerblich im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG anzusehen.
Vergleich mit Präsenzspielen
Der X. Senat des BFH knüpft mit seiner aktuellen Entscheidung an frühere BFH-Entscheidungen zum Pokerspiel in Form von Präsenzturnieren und in Casinos an. Danach sei Poker in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht kein reines Glücksspiel, sondern auch durch Geschicklichkeitselemente gekennzeichnet. Dies gilt nach Auffassung des X. Senats des BFH auch für Online-Poker, selbst wenn dort kein persönlicher Kontakt zu den Mitspielern möglich sei. Allerdings unterliege nach der Rechtsprechung des BFH, unabhängig von der Form des Pokerspiels, nicht jeder Pokerspieler der Einkommensteuer.
Gewerbliche Betätigung in Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung
Maßgebend sei insbesondere, ob die Pokerspieltätigkeit den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Insoweit führt der BFH auch aus, dass sich die erforderliche Abgrenzung zu privaten Tätigkeiten danach richte, ob der Steuerpflichtige mit seiner Betätigung private Spielbedürfnisse gleich einem Freizeit- oder Hobbyspieler befriedigt oder ob in der Gesamtschau strukturell-gewerbliche Aspekte entscheidend in den Vordergrund rücken. Für das insoweit maßgebliche „Leitbild eines Berufsspielers“ sei vor allem das planmäßige Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz „beruflicher“ Erfahrungen prägend.
Gewerbesteuerpflichtig
Weiterhin hat der BFH mit diesem Urteil entschieden, dass die Tätigkeit des M als Online- Pokerspieler im Streitfall der Gewerbesteuer unterliegt. Bei einem Online-Pokerspieler ist nach Auffassung des X. Senates des BFH der Raum als Betriebsstätte anzusehen, in dem sich der Computer befindet und von dem aus der Spieler seiner Tätigkeit nachgeht. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Steuerpflichtige über diesen Raum eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Insoweit unterscheide sich der Streitfall von der dem nicht amtlich veröffentlichten BFH-Urteil vom 25.02.2021 (BFH, Urteil vom 25.03.2021 – III R 67/18) zugrunde liegenden Sachverhaltsgestaltung.
In diesem Sachverhalt hatte der III. Senat des BFH zu einem Casino- und Turnierpokerspieler ausgeführt, dass für diese Tätigkeit eine Betriebsstätte nicht zwingend erforderlich sei. Dies beruhe darauf, dass einem „Präsenzspieler“ die von ihm genutzten Räume der Casinos und Turnierveranstalter im Regelfall nicht als eigene Betriebsstätte zuzurechnen seien. Dies sei jedoch bei dem ständig genutzten Zimmer in der elterlichen Wohnung anders. Insbesondere im Hinblick auf die erforderliche und nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht bestünden im vorliegenden Einzelfall keine Zweifel.
Anmerkung
Interessant ist die aktuelle Entscheidung insbesondere zur Bestimmung einer Betriebsstätte. Der BFH nimmt die für eine gewerbliche Betätigung erforderliche Betriebsstätte des Mathematikstudenten in seinem Jugendzimmer im elterlichen Haushalt an. Die Entscheidung wird auch Auswirkung auf andere Online-Betätigungen vergleichbarer Art haben.