RICHARD BOORBERG VERLAG

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26.03.2021

Erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers

Einkommensteuer

Ist das Zustellzentrum, dem ein Postzusteller zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (Sortierung, Abschreibpost, Abrechnung) ausübt, erste Tätigkeitsstätte?

Der verbeamtete Postzusteller P ist seit 1977 bei der Deutschen Post beschäftigt. Seit Anfang der 1990-iger Jahre ist er als Postzusteller in S-Stadt und dort seit vielen Jahren am Zustellpunkt Z tätig. Der gewöhnliche Arbeitstag eines Zustellers am Zustellpunkt Z sieht wie folgt aus: Die Kompaktbriefe kommen morgens vorsortiert aus dem Briefzentrum und werden so von den Zustellern zum Austragen übernommen. Großbriefe, Kataloge, Zeitschriften und Tageszeitungen kommen unsortiert. Sie werden ebenso wie die unsortierten Kompaktbriefe, die z. B. die Maschine nicht lesen konnte oder fehlgeleitet waren, von einem Teil der Zusteller des Zustellpunkts gemeinsam auf die einzelnen Zustellbezirke sortiert. Die Pakete kommen unsortiert auf Rollwägen aus dem Frachtzentrum und werden von den übrigen Zustellern gemeinsam auf die Bezirke verteilt. Diese Verteilung sowohl der Briefe als auch der Pakete erfolgt nur grob auf die Bezirke. Im Anschluss steckt jeder Zusteller seine eigene auszutragende Post für die Runde auf Gangfolge. P selbst hat nur einen Handwagen für Briefe, Pakete stellt er nicht zu. Im Anschluss daran macht der Zusteller seine Runde. Nach der Zustellrunde bearbeitet der jeweilige Zusteller die sog. Abschreibpost (Post, bei der der Adressat unbekannt, unbekannt verzogen oder verzogen ist) und Abrechnungen (z. B. für Nachnahmen, Nachentgelte oder Zollgebühren). Die Vorarbeiten dauern zwei bis zweieinhalb Stunden, die Nacharbeiten ca. 20 bis 30 Minuten. In seinen Einkommensteuererklärungen für 2015 und 2016 begehrte P den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheit von mindestens acht Stunden für 144 Tage (2015) und für 133 Tage (2016). Der Zustellbezirk sei als weiträumiges Tätigkeitsgebiet und nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen dagegen nicht, sondern setzte lediglich den Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 1.000 EUR an. Das Zustellzentrum, dem ein Postzusteller zugeordnet sei und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z. B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübe, sei erste Tätigkeitsstätte. Das Finanzamt bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
BFH, Urteil vom 30.9.2020, Az. VI R 10/19