RICHARD BOORBERG VERLAG

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20.11.2020

Erste Tätigkeitsstätte bei Bildungsmaßnahme

Einkommenssteuer

Ist die Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme für die Einordnung einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte unerheblich?

Der ledige Steuerpflichtige S ist gelernter Behälter- und Apparatebauer. Vom 8.9.2014 bis 18.12.2014 besuchte er in Vollzeit einen Schweißtechnikerlehrgang bei der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt in S-Stadt. In einem Arbeitsverhältnis stand er während dieses Zeitraums nicht. In seiner Einkommensteuererklärung für 2014 machte S bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Zusammenhang mit diesem Lehrgang u. a. Kosten für eine Unterkunft in S-Stadt sowie Verpflegungsmehraufwendungen für drei Monate als Werbungskosten geltend und verneinte die Gleichstellung mit einem Arbeitnehmer angesichts der Kürze der Lehrgangsdauer. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen dagegen nicht, weil S während des Schweißtechnikerlehrgangs in S-Stadt nicht auswärts tätig gewesen sei, sondern seine erste Tätigkeitsstätte in S-Stadt gehabt habe. Nach der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts ab dem Jahr 2014 gelte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zweck eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht werde, als erste Tätigkeitsstätte – und dies auch dann, wenn die Bildungseinrichtung lediglich im Rahmen einer kurzzeitigen Bildungsmaßnahme besucht werde. Die Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme sei für die Einordnung einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte unerheblich. Verlangt sei keine zeitliche Mindestdauer der Bildungsmaßnahme. Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass S die Bildungseinrichtung anlässlich der regelmäßig ohnehin zeitlich befristeten Bildungsmaßnahme nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d. h. fortdauernd und immer wieder (dauerhaft), aufsuche. S werde somit einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer gleichgestellt. Das Finanzamt bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
BFH-Urteil vom 14.5.2020, Az. VI R 24/18