RICHARD BOORBERG VERLAG

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04.12.2023

Ermäßigte Besteuerung von pandemiebedingten Soforthilfen, Überbrückungshilfen und vergleichbaren Zuschüssen

   

Das Finanzgericht Münster (FG) hatte zu entscheiden, ob im Rahmen der Corona- Pandemie gewährte staatliche Hilfezahlungen an einen Gewerbetreibenden ermäßigt besteuert werden konnten.

Das Hotel mit angeschlossenem Restaurant des Hoteliers H war im Streitjahr 2020 wegen der Corona-Pandemie von zeitweisen betrieblichen Einschränkungen und Schließungen betroffen. H beantragte und erhielt pandemiebedingte Soforthilfen, Überbrückungshilfen und vergleichbare Zuschüsse in Höhe von insgesamt 64.254 €. Die Zuschüsse bezogen sich auf die Einschränkungen und Schließungen des Gewerbebetriebs im Jahr 2020 und setzen sich im Einzelnen aus einer Soforthilfe von 15.000 €, einer Überbrückungshilfe I von 6.806 € und der sog. „November-/Dezemberhilfe“ von 42.448 € zusammen. H gab diese Beträge in der für das Streitjahr eingereichten Einkommensteuererklärung in der Anlage „Corona- Hilfen“ als bezogene Zuschüsse an.

Der Gewinn des H aus dem Gewerbebetrieb betrug ausweislich der Einkommensteuererklärung 2020 79.458 €. H beantragte, die „Corona- Hilfen“ gemäß § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermäßigt zu besteuern. Denn nach seiner Auffassung handelte es sich um Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Nichtausübung einer Tätigkeit aufgrund der pandemiebedingten Schließung des Geschäftsbetriebs. Das Finanzamt lehnte die ermäßigte Besteuerung ab und begründete dies damit, dass es sich bei den Sofort- und Überbrückungshilfen nicht um Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG, sondern um Zuschüsse handele. Die öffentliche Hand habe diese Zahlungen aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen und somit auch in ihrem eigenen Interesse getätigt. Darüber hinaus lägen Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG auch deshalb nicht vor, weil die Zielsetzung der bezeichneten Hilfen lediglich der Ausgleich von Ausgaben sei und somit keine Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen vorliege. Auch die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG lägen nicht vor, weil es an der erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen den Hilfen einerseits und der Aufgabe oder Nichtausübung der Tätigkeit andererseits fehle.

Darüber hinaus sei eine Anwendung von § 34 Abs. 1 EStG wegen der fehlenden Außerordentlichkeit (Zusammenballung) der Einkünfte zu verneinen. H klagte daraufhin vor dem Finanzgericht Münster.

Die Entscheidung

Das Finanzgericht Münster sah die Klage als unbegründet an. Denn eine ermäßigte Besteuerung käme nur dann in Betracht, wenn Einkünfte für mehrere Veranlagungszeiträume „zusammengeballt“ in einem Veranlagungszeitraum zuflössen. Dies sei bei den Corona- Hilfen für 2020 nicht der Fall gewesen.

Steuerpflicht von Entschädigungen

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche gewährt worden sind (§ 24 Nr. 1 Buchst. b EStG).

Das Finanzgericht ging zunächst auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Norm ein. Danach setze eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen begrifflich voraus, dass ein Anspruch auf Einnahmen begründet gewesen und weggefallen sei. Die Entschädigung müsse den Zweck haben, die weggefallenen Einnahmen zu ersetzen; sie müsse auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen; Erfüllungsleistungen seien keine Entschädigung.2 Der Entschädigungsbegriff setze voraus, dass der Steuerpflichtige infolge einer Beeinträchtigung geschützter Güter einen finanziellen Schaden erlitten habe und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt sei, diesen Schaden auszugleichen.

Im Unterschied zu einer Entschädigung i.S.d. § 24 Nr.1 Buchst. a EStG müsse die Entschädigung nach Buchst. b dieser Vorschrift aber nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen.3 Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG kämen gem. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG als außerordentliche Einkünfte in Betracht. Außerordentliche Einkünfte würden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen seien und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstünden. Im vorliegenden Fall seien die Beteiligten zutreffend davon ausgegangen, dass Zuschüsse in Höhe von insgesamt 64.254 € (Soforthilfe, Überbrückungshilfe I und „November-/Dezemberhilfe“) als Betriebseinnahmen des H in seinem Einzelunternehmen zu erfassen gewesen wären. Die Zuschüsse seien durch den Betrieb veranlasst gewesen, da sie dem H aufgrund der durch die Coronaschutzverordnungen angeordneten zeitweisen betrieblichen Einschränkungen gewährt wurden.

Das Gericht konnte offenlassen, ob die Zuschüsse eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG oder eine Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gem. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG darstellten. Denn eine Tarifermäßigung sei im Streitfall jedenfalls deshalb abzulehnen, weil die Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht erfüllt seien.

Ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG

Für außerordentliche Einkünfte – wie Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG – kann die Einkommensteuer ermäßigt nach der sog. Fünftel- Regelung ermittelt werden. Danach beträgt die ermäßigte Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um die außerordentlichen Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Die Regelung mildert die Einkommensteuerbelastung aufgrund des progressiven Steuertarifs ab, indem die Höhe der Einkommensteuer so berechnet wird, als ob die außerordentlichen Einkünfte über fünf Jahre verteilt versteuert würden. Voraussetzung für eine ermäßigte Besteuerung ist, dass die Einnahmen „zusammengeballt“ zufließen. D.h., sie müssen sich mehrere Veranlagungszeiträume beziehen.

Nach der Entscheidung des Finanzgerichts lagen im Fall des H keine außerordentlichen Einkünfte vor, da es an einer Zusammenballung der Einkünfte fehlte. Im Streitjahr 2020 habe H lediglich Finanzhilfen und Zuschüsse gewinnerhöhend erfasst, die sich auf dieses Kalenderjahr bezogen hätten. Vor diesem Hintergrund war der Einkommensteuerbescheid rechtmäßig.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
FG Münster, Urteil vom 26.04.2023 – 13 K 425/22 E.