RICHARD BOORBERG VERLAG

×

29.01.2024

Erbschaftsteuerfreie Wertverschiebung durch disquotale Einlage

   

Eine disquotale Einlage in die ungebundene Kapitalrücklage einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) stellt keinen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang dar.

Der klagende S und sein Vater V gründeten eine KGaA. Das Grundkapital wurde vollständig von V als alleinigem Kommanditaktionär übernommen. S leistete als persönlich haftender Gesellschafter eine Vermögenseinlage in die KGaA. Nach der Satzung der KGaA sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalkonten zum Gesamtkapital am Gewinn und an den Rücklagen der KGaA beteiligt. Das Gesamtkapital setzt sich zusammen aus dem Grundkapital und der Vermögenseinlage. Im konkreten Streitfall betrug das Verhältnis 90 % zu 10 % zugunsten von S.

Kurz nach der Handelsregistereintragung der KGaA erbrachte V eine Einlage in mehrstelliger Millionenhöhe in eine ungebundene Kapitalrücklage der KGaA. Diese Kapitalrücklage zählte nach der Satzung der KGaA nicht zu den Kapitalkonten (disquotale Einlage). Das Finanzamt sah darin einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang gemäß § 7 Abs. 8 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) und erließ einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid gegenüber S. Dessen Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. S erhob Klage, die vor dem erstinstanzlichen Urteil erfolgreich war. Allerdings wurde Revision eingelegt, sodass das Urteil nicht rechtskräftig ist.

Keine Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Nach Ansicht der ersten Instanz ist dieser vom Finanzamt herangezogene Schenkungsteuertatbestand im Streitfall nicht erfüllt.

Fehlende Beteiligung des Klägers am Grundkapital

Zwar handele es sich bei einer KGaA um eine Kapitalgesellschaft. Zweifelsfrei habe sich auch der Wert der Beteiligung von S durch die disquotale Einlage des V erhöht. Aber die Beteiligung von S sei kein „Anteil an einer Kapitalgesellschaft“ im Sinne des Gesetzes, da S nicht am Grundkapital der KGaA beteiligt ist. Das ErbStG habe in § 13a und § 13b bereits vor Einführung von § 7 Abs. 8 ErbStG zwischen dem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters an einer KGaA einerseits und dem Anteil an einer Kapitalgesellschaft andererseits unterschieden. Dieselbe Unterscheidung liege auch Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des steuerrechtlichen Bewertungsgesetzes (BewG) zugrunde.

Kein Vorliegen eines anderen Schenkungsteuertatbestands

Das erstinstanzliche Finanzgericht hielt im Übrigen weder einen anderen Schenkungsteuertatbestand für erfüllt – nicht § 7 Abs. 6 ErbStG (übermäßige Gewinnbeteiligung bei einer Personengesellschaft) und nicht den Grundtatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – noch sieht es einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO).

Gesetzeslücke nur unvollständig geschlossen

Dem Finanzgericht war nach eigenen Aussagen durchaus bewusst, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 7 Abs. 8 ErbStG die Besteuerungslücken in Fällen disquotaler Einlagen habe schließen wollen. Im Gesetz sei aber eine – von S genutzte – Lücke verblieben. Sie zu schließen, liege außerhalb der Kompetenz der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte, sondern sei dem Gesetzgeber vorbehalten.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
FG Hamburg, Urteil vom 11.07.2023 – 3 K 188/21