RICHARD BOORBERG VERLAG

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26.08.2024

Erbschaftsteuerfalle bei Berliner Testament

   

Setzen Ehegatten in einem Berliner Testament ein erst später fälliges Vermächtnis für die Kinder aus, die nicht beim Tod des Erstverstorbenen ihren Pflichtteil fordern („Jastrowsche Klausel“), kann der überlebende Ehegatte die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist.

V und M, Eltern von insgesamt sechs Kindern, darunter auch die Tochter T, errichteten ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Weiter wurde vereinbart, dass der überlebende Ehegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen können soll. Als Erben des überlebenden Ehegatten setzten die Eheleute T und drei ihrer Schwestern ein. Der Bruder B und eine weitere Schwester S wurden enterbt.

Das Testament enthielt auch die „Jastrowsche Klausel“, nach der für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des zuerst sterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt, dieses Kind auch vom Nachlass des zuletzt sterbenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten soll. Diejenigen Erben, die den Pflichtteil beim Tod des Erstverstorbenen nicht fordern, sollten bei Tod des länger lebenden Ehegatten aus dem Nachlass des Erstverstorbenen ein erst beim Tod des länger lebenden Ehegatten fälliges Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils erhalten.

Die enterbten B und S machten nach dem Tod des als erster verstorbenen V ihren Pflichtteil geltend. T erwarb beim Tod ihres Vaters V ein entsprechendes Vermächtnis, das mit dem Tod von M, der Mutter, fällig wurde. Nachdem auch Mverstorben war, setzte das Finanzamt gegenüber der T Erbschaftsteuer für den Erwerb nach der M fest. Das Vermächtnis rechnete es weder dem Erwerb hinzu noch wurde es als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht. T hingegen war der Auffassung, das Vermächtnis sei bei ihr doppelt hinzugerechnet worden und deshalb als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Ein entsprechender Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Auch das erstinstanzliche Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. In der Revision wurde diese Haltung bekräftigt. Das berechtigte Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des länger lebenden Ehegatten zu versteuern. Ist das Kind aufgrund der Anordnung des Berliner Testaments auch Schlusserbe nach dem länger lebenden Ehegatten geworden, kann es bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs von dem überlebenden Ehegatten die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.

Keine doppelte Besteuerung des Vermächtnisses

Im Streitfall wurde das Vermächtnis bei der T nicht doppelt besteuert. Der Wert des Vermächtnisses wurde bei derM als Alleinerbin des V zunächst einmal besteuert. Da das Vermächtnis zwar damals bereits entstanden war, aber erst bei dem Tod der M fällig wurde, ging der Nachlass des V ungeschmälert, das heißt einschließlich des Vermögens, aus dem das Vermächtnis zu erfüllen war, auf M über. M konnte die Vermächtnisverbindlichkeit bei ihrem Erbe nicht in Abzug bringen, da sie – mangels Fälligkeit – diese Schuld nicht zu begleichen hatte. Nach dem Tod vonMhatte die T das jetzt fällig gewordene Vermächtnis zu versteuern. Als Schlusserbin unterlag bei ihr außerdem der Nachlass nach der Mutter der Erbschaftsteuer. Dort konnte sie die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen. Das Vermächtnis unterlag bei der T daher nur einmal der Besteuerung.

Steuerlich ungünstige Situation rechtlich nicht zu beanstanden

Dass bezüglich des betagten Vermächtnisses im Ergebnis zweimal Erbschaftsteuer entsteht – einmal (ohne Abzugsmöglichkeit als Nachlassverbindlichkeit) bei der überlebenden Alleinerbin und ein weiteres Mal bei der Erbin nach dem Tod des Letztversterbenden – ist für die Steuerpflichtigen zwar ungünstig, aus rechtlicher Sicht ist das aber nicht zu beanstanden. Es liegt an der Verwendung der Jastrowschen Klausel, die – um den überlebenden Ehegatten mit ausreichend Liquidität auszustatten – das Vermächtnis zwar bei Tod des Erstverstorbenen anfallen, aber erst bei Tod des länger lebenden Ehegatten fällig werden lässt.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
BFH, Urteil vom 11.10.2023 – II R 34/20