RICHARD BOORBERG VERLAG

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11.09.2023

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bei Aufnahme eines syrischen Flüchtlings

   

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte zu entscheiden, ob einer alleinerziehenden Mutter weiterhin der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zusteht, obwohl sie einen Teil ihrer Wohnung an einen volljährigen syrischen Flüchtling vermietet hatte.

Die Lehrerin K ist Mutter zweier Kinder, die in den Jahren 1995 und 1998 geboren wurden und die sich im Jahr 2016 in der Berufsausbildung bzw. im Studium befanden. Die K wohnte mit ihren beiden Kindern in einem Einfamilienhaus, in dem die beiden Kinder auch gemeldet waren. Eigentümer des Einfamilienhauses, das eine Fläche von 133,67 m² aufwies, waren die K und ihr früherer Ehemann.

Der frühere Ehemann wohnte nicht mehr in dem Einfamilienhaus. Ab dem 01.08.2016 vermietete die K zwei in dem Einfamilienhaus befindliche Zimmer mit einer Größe von jeweils 11 m2 an die zwei syrischen Brüder C und D. C war zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig, nicht aber der im Jahr 2000 geborene zweite Bruder D. Nach den beiden Mietverträgen durften beide Syrer das Bad, die Küche und das Wohnzimmer mitbenutzen. Die monatliche Miete betrug jeweils 197,76 €. Die beiden Syrer erhielten Sozialleistungen nach dem SGB II.

 Das zuständige Jugendamt erteilte der K am 29.07.2016 eine Pflegeerlaubnis nach § 44 SBG VIII für D. Die K erhielt für die beiden Syrer kein Kindergeld. K erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2016 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.502 €, der auf der Vermietung der beiden Zimmer an die syrischen Brüder beruhte. Ferner beantragte sie einen Entlastungsbetrag für Alleinerzieher nach § 24b Einkommensteuergesetz – EStG – für die zwei eigenen Kinder. Das Finanzamt erkannte den Verlust nur teilweise an. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wies es zudem darauf hin, dass es den geltend gemachten Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ab 01.08.2016 nicht gewähren werde, weil mit C noch eine weitere volljährige Person im Haushalt gewohnt und eine Haushaltsgemeinschaft mit der K begründet habe. Die Klägerin nahm den Einspruch nicht zurück, sondern klagte vor dem FG Berlin-Brandenburg.

Die Entscheidung

Das FG sah die zulässige Klage als begründet an. Nehme eine alleinerziehende Mutter neben ihren Kindern zwei syrische Brüder, von denen einer volljährig und einer minderjährig ist, in ihren Haushalt auf, so sei die gesetzliche Vermutung einer Haushaltsgemeinschaft (§ 24b Abs. 3 Satz 2 EStG) mit dem volljährigen Syrer widerlegt, wenn dieser als Mieter im Haushalt wohnt, als Mieter typischerweise nicht an der Haushaltsführung beteiligt ist und typischerweise auch nicht verpflichtet ist, über seine Miete hinaus finanzielle Beiträge zum Haushalt der Steuerpflichtigen zu leisten.

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende

Das FG ging zunächst auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Entlastungsbetrags für Alleinerziehende ein. Nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG könnten alleinstehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehöre, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zustehe.

§ 24b Abs. 3 Satz 1 EStG bestimme, dass solche Steuerpflichtige alleinstehend im Sinne von § 24b Abs. 1 EStG seien, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 26 Abs. 1 EStG) erfüllten oder verwitwet seien und die keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bildeten, es sei denn, für diese stehe ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zu oder es handele sich um ein Kind, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG – wie den gesetzlichen Grund-, Zivil-, Grundwehrdienst leiste oder das eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausübe. Nach § 24b Abs. 4 EStG ermäßige sich der Entlastungsbetrag für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorgelegen hätten, um ein Zwölftel. Die Kriterien „eigene Kinder im Haushalt“ und „ganzjährig alleinstehend“ seien unstreitig erfüllt gewesen. Die K sei im Streitjahr auch ganzjährig alleinstehend im Sinne von § 24b Abs. 3 EStG gewesen, weil sie mangels Zusammenlebens mit ihrem Ehemann nicht die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung erfüllte und weil sie keine Haushaltsgemeinschaft mit einer volljährigen Person bildete.

Haushaltsgemeinschaft bei Untervermietung

Die K sei zudem im Streitjahr auch ganzjährig alleinstehend im Sinne von § 24b Abs. 3 EstG gewesen, weil sie mangels Zusammenlebens mit ihrem Ehemann nicht die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung erfüllte und weil sie keine Haushaltsgemeinschaft mit einer volljährigen Person bildete. Mit dem volljährigen Syrer C habe K keine Haushaltsgemeinschaft gebildet. Zwar hätte es mit C eine volljährige Person gegeben, die seit dem 01.08.2016 in dem von der K bewohnten Haus gemeldet war, sodass die Vermutung einer Haushaltsgemeinschaft nach § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG gelte. Die K habe diese gesetzliche Vermutung aber widerlegt.

Die gesetzliche Vermutung könne nach der Begründung des Gesetzgebers dadurch widerlegt werden, dass der Steuerpflichtige glaubhaft mache oder zweifelsfrei versichere, dass keine Haushaltsgemeinschaft bestehe. Nach dem Bundesfinanzhof sei eine Haushaltsgemeinschaft mit einer in derselben Wohnung lebenden volljährigen Person hingegen nur dann abzulehnen, wenn der Volljährige einen vollständig getrennten Haushalt führe oder wenn – wie z.B. beim Zusammenleben mit einkommenslosen pflegebedürftigen Angehörigen – jedwede Unterstützungsleistungen durch den Dritten ausgeschlossen erscheine. Das Gericht könne offenlassen, ob die Auffassung des Gesetzgebers und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einander widersprächen und ob es sich um eine abschließende Aufzählung der Widerlegung handele. Denn nach beiden Ansichten hat die K die gesetzliche Vermutung des § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG widerlegt. Die gesetzliche Vermutung werde im Streitfall bereits dadurch widerlegt, dass C als Mieter im Haushalt der K wohne. Er zahle damit eine Miete an die K und war damit als Mieter typischerweise nicht an der Haushaltsführung beteiligt und typischerweise auch nicht verpflichtet, über seine Miete hinaus finanzielle Beiträge zum Haushalt der K zu leisten. Vor diesem Hintergrund war der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende der K zu gewähren.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.02.2023 – 6 K 6205/19.