RICHARD BOORBERG VERLAG

×

20.12.2021

Einheitliche Erstausbildung

   

Ist eine einheitliche Erstausbildung noch anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet?

V ist der Vater seines im Februar 1991 geborenen Sohnes S, der im Juni 2013 eine Berufsausbildung als Bankkaufmann abschloss und dann von Oktober 2013 bis August 2015 eine Ausbildung zum Bankfachwirt sowie ab Oktober 2015 eine Ausbildung zum Bankbetriebswirt absolvierte.

Die Familienkasse lehnte den Antrag des V vom 27.12.2017 auf Kindergeld für S ab Juli 2013 ab, weil S im Juni 2013 bereits eine erste Ausbildung abgeschlossen habe, einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgehe und sich erst seit Oktober 2013 in einer Zweitausbildung befinde, die mangels rechtzeitiger Bewerbung oder einer entsprechenden Absichtserklärung mit der Erstausbildung zudem nicht zeitlich zusammenhinge. S habe im Juni 2013 eine erstmalige Berufsausbildung als Bankkaufmann abgeschlossen und sei während seiner nachfolgenden Zweitausbildung einer für die Berücksichtigung als Kind schädlichen Erwerbstätigkeit von regelmäßig wöchentlich mehr als 20 Stunden nachgegangen.

Die Ausbildungsabschnitte könnten nicht zu einer mehraktigen Ausbildung zusammengefasst werden, weil eine berufspraktische Erfahrung im bereits erlernten Ausbildungsberuf unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen des weiteren Berufsabschlusses gewesen sei. Die Berufstätigkeit im erlernten Ausbildungsberuf bilde daher eine Zäsur, die den Charakter einer einheitlichen Berufsausbildung entfallen lasse; dies gelte auch dann, wenn die Berufserfahrung parallel zu der weiteren Ausbildungsmaßnahme gesammelt werden könne. Die weitere Ausbildungsmaßnahme stelle dann keine erstmalige Berufsausbildung, sondern eine Weiterbildung dar. Da der Abschluss zum geprüften Bankfachwirt eine mindestens zweijährige Berufspraxis voraussetze, fehle es an einer einheitlichen Erstausbildung. Eine einheitliche Erstausbildung sei nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bilde und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellten.

Die Familienkasse bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Autoren:
Marcus Preu
Quelle:
BFH-Urteil vom 26.5.2021, Az. III R 39/20