RICHARD BOORBERG VERLAG

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01.05.2023

Earn-Out-Zahlungen: Besteuerungszeitpunkt von variablen Kaufpreisbestandteilen

   

Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften wird der Kaufpreis in vielen Fällen teilweise fix und teilweise variabel ausgestaltet. Die variablen Kaufpreisbestandteile sind oftmals an Gewinn- oder Umsatzentwicklung während eines bestimmten Zeitraumes gebunden. Damit sind Kaufpreisbestandteile zum Veräußerungszeitpunkt der Höhe nach noch ungewiss. Fraglich ist, wann und in welchem Veranlagungszeitraum nachträgliche Kaufpreisbestandteile zu versteuern sind.

Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (insbesondere GmbH-Anteilen) wird der Kaufpreis in vielen Fällen teilweise fix und teilweise variabel ausgestaltet. Die variablen Kaufpreisbestandteile sind oftmals an die Gewinn- oder Umsatzentwicklung während eines bestimmten mehrjährigen Zeitraumes nach der Veräußerung gebunden. Damit sind diese Kaufpreisbestandteile zum Veräußerungszeitpunkt der Höhe nach noch ungewiss. Fraglich ist, wann bzw. in welchem Veranlagungszeitraum nachträgliche Kaufpreisbestandteile zu versteuern sind.

Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften unterliegt bei nicht in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen der Besteuerung nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG). Danach entsteht der Veräußerungsgewinn im Zeitpunkt des Überganges des rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen. Der Veräußerungsgewinn/-verlust nach § 17 Abs. 4 EStG ist damit nach der Verwaltungsauffassung stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln (H 17.4 „Entstehung des Veräußerungsgewinns“ der Hinweise zu den Einkommensteuer-Richtlinien – EStH). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, wann der Kaufpreis zufließt. Bei nachträglichen Veränderungen des Veräußerungsgewinns (z.B. wegen Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers oder einer nachträglichen Erhöhung der Anschaffungskosten beim Veräußerer) erfolgt deren Berücksichtigung nach Auffassung der Finanzverwaltung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Veräußerung (H 17.7 „Stichtagsbewertung“ EStH; § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung). Entsprechende Steuernachforderungen führen damit zu Nachzahlungszinsen nach § 233a Abgabenordnung.

Eine solche Rückwirkung nimmt die Verwaltung in den Fällen des § 17 Abs. 4 EStG bislang auch dann an, wenn die Veräußerung gegen ein (teilweise) variables zukünftiges Entgelt erfolgt. Mit Blick auf die zur Veräußerung von Einzelunternehmen

oder Mitunternehmeranteilen an Personengesellschaften nach § 16 EStG ergangene Rechtsprechung könnte jedoch auch eine andere Auffassung vertreten werden. Es sprechen u.E. gute Gründe dafür, die für § 16 Abs. 2 EStG geltenden Grundsätze zur Besteuerung von variablen Verkaufsbestandteilen auch in den Fällen des § 17 Abs. 4 EstG anzuwenden: So hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mit Urteil vom 21.12.1993 – VIII R 69/88, BStBl 1994 II S. 684 entschieden, dass die Grundsätze zur Besteuerung eines Veräußerungsgewinnes nach § 16 EStG auch für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 EStG gelten: Der Tatbestand des § 17 EStG entspreche in seinem Aufbau und seiner systematischen Stellung innerhalb der Besteuerungstatbestände des EStG demjenigen des § 16 EStG. In beiden Fällen handle es sich um die Besteuerung des Gewinns aus einem einmaligen, punktuellen Ereignis.

In Fällen des § 16 Abs. 2 EStG vertritt die Finanzverwaltung in H 16.11 „Gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreis“ EStH folgende Auffassung: „Wird ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gegen einen gewinnabhängigen oder umsatzabhängigen Kaufpreis veräußert, ist das Entgelt zwingend als laufende nachträgliche Betriebseinnahme im Jahr des Zuflusses in der Höhe zu versteuern, in der die Summe der Kaufpreiszahlungen das – ggf. um Einmalleistungen gekürzte – Schlusskapitalkonto zuzüglich der Veräußerungskosten überschreitet“. Die Verwaltung gibt in dem Hinweis den Tenor des BFH-Urteils vom 14.05.2002 wieder.

Nach diesem BFH-Urteil steht die rückwirkende Versteuerung gewinnabhängiger Kaufpreisleistungen im Veräußerungsjahr nicht nur im Widerstreit zur Systematik der §§ 16, 34 EStG sowie dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit; sie ist nach Auffassung des BFH auch mit dem (handelsrechtlichen) Realisationsprinzip nicht vereinbar. In gewinnabhängigen Kaufpreisabreden sieht der BFH die Begründung lediglich aufschiebend bedingter Ansprüche, bei denen die Gewinnrealisierung davon abhängig ist, dass die Forderung wirtschaftlich entstanden, also das Entstehen des Anspruchs „so gut wie sicher ist“. Bei gewinnabhängigen Kaufpreisen stehe jedoch aufgrund der Unwägbarkeiten der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung regelmäßig weder fest, ob sie überhaupt entstünden, noch wie hoch sie sein würden.

Abweichend vom Stichtagsprinzip seien folglich variable Kaufpreisbestandteile bei § 16 EStG regelmäßig erst im Jahr des Zuflusses zu berücksichtigen. Auch in seinem zu § 8b Körperschaftsteuergesetz ergangenen Urteil vom 19.12.2018, I R 71/16, BStBl 2019 II S. 493, vertritt der BFH die Auffassung, dass der Veräußerungsgewinn zwar grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt entstehe. Dies gelte zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig oder in Raten zahlbar sei. Auch sei dies unabhängig davon, wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließe. Er sei damit regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Für Fälle der gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen sei hingegen auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer dieses erst im Zuflusszeitpunkt erziele. U. E. sind diese zu Veräußerungsgewinnen nach § 16 EStG gefassten Grundsätze auch auf Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG übertragbar.

Die Verwaltungsauffassung in H 17 (7) „Stichtagsbewertung“ EStH bildet u.E. zudem lediglich allgemein die Grundsätze zum Zeitpunkt der Realisation eines Veräußerungsgewinnes in den Fällen nachträglicher Kaufpreisänderungen (z.B. wegen eines Rechtstreits über die Kaufpreishöhe) ab. In diesen Fällen ist der Gewinn rückwirkend auf den Veräußerungszeitpunkt zu berechnen und damit im Veräußerungsjahr zu versteuern. H 17 (7) EStH bildet u.E. den Fall der gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen nicht ab. Vor diesem Hintergrund sind variable Kaufpreisbestandteile bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften u.E. erst im Jahr des Zuflusses zu versteuern.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
BFH, Urteil vom 14.05.2022 – VIII R 8/01