RICHARD BOORBERG VERLAG

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10.10.2022

Besteuerungsrecht für Abfindung

   

Unterliegt die anlässlich der Freisetzung zugesagte Abfindung in dem Umfang anteilig dem deutschen Besteuerungsrecht, in dem der Arbeitnehmer bis zu seiner Freistellung in Deutschland tätig war?

Der Steuerpflichtige S war seit Mai 2011 bei der in Deutschland ansässigen G-GmbH im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Seine Tätigkeit übte er nur zum Teil in Deutschland aus, im Übrigen wurde er in Frankreich und in Drittländern eingesetzt. Das Finanzamt veranlagte S mit dem Teil seiner Arbeitseinkünfte zur deutschen Einkommensteuer, der der zeitanteiligen Erbringung der Arbeitsleistung in Deutschland entsprach. Den darüber hinausgehenden Teil der Arbeitseinkünfte sah es als in Deutschland steuerfrei an und berücksichtigte ihn lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts. Zur Ermittlung der auf den Einsatz in Deutschland und im Ausland entfallenden Arbeitszeiten führte S ein „Travel Diary“ (Reisetagebuch). Im November 2014 teilte die G-GmbH dem S mit, dass man sich von ihm trennen wolle. S stellte seine Tätigkeit auf Wunsch der G-GmbH zum Ende des Jahres 2014 ein. Zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses schlossen S und die G-GmbH am 20.1.2015 einen Aufhebungsvertrag zum 31.3.2015 mit einer einmaligen Brutto-Abfindung in Höhe von 559.616 EUR, die die G-GmbH in Höhe von 235.040 EUR nach den Aufzeichnungen im Reisetagebuch als anteiligen Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre einer ermäßigten Lohnsteuer nach der Fünftel-Regelung unterwarf. Sei ein Arbeitnehmer mit Hauptwohnsitz in Frankreich in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und bis zu der vom Arbeitgeber veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den in Deutschland ansässigen Arbeitgeber teilweise in Deutschland und teilweise in Frankreich sowie in Drittländern tätig gewesen, so unterliege die dem Arbeitnehmer anlässlich der Freisetzung zugesagte Abfindung in dem Umfang anteilig dem deutschen Besteuerungsrecht, in dem der Arbeitnehmer bis zu seiner Freistellung in Deutschland tätig gewesen sei. S war dagegen der Ansicht, dass es sich bei der vermeintlichen Abfindungszahlung tatsächlich gar nicht um eine solche handele: Angesichts der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses von etwas über 3,5 Jahren und des Alters des 1954 geborenen S sei es eindeutig, dass die Zahlung tatsächlich nicht als Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern zur Überbrückung des etwa vierjährigen Zeitraums bis zum Beginn der Rentenzahlung gedacht gewesen sei. Die Abfindung habe insoweit einem Jahresbruttogehalt von knapp 140.000 EUR entsprochen. Sie sei nicht in Deutschland steuerpflichtig, weil S sich im Jahr 2015 ausschließlich in Frankreich aufgehalten habe. Das Finanzamt bekam beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg Recht.

Autoren:
Markus Preu
Quelle:
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.4.2021, Az. 9 K 9024/20