RICHARD BOORBERG VERLAG

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19.06.2023

Beiträge für einen Sportverein als außergewöhnliche Belastung

   

Streitig war der Abzug von Aufwendungen für die Durchführung von Funktionstraining, in diesem Fall die Durchführung von ärztlich verordneter Wassergymnastik in einem Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastungen.

Aufwendungen für ein Fitnessstudio sind regelmäßig als Kosten der privaten Lebensführung nicht steuerlich abzugsfähig. Mitgliedsbeiträge an einen Sportverein, der in erster Linie der Freizeitgestaltung dient, sind auch keine begünstigten Spenden. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hatte in seinem Urteil vom 14.12.2022 jedoch über die Frage zu entscheiden, ob die Beiträge für die Nutzung eines Fitnessstudios dann im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind, wenn dadurch die Möglichkeit besteht, das erforderliche Funktionstraining, im Streitfall: die ärztlich verordnete Wassergymnastik, durchzuführen. Das Funktionstraining in dem Fitnessstudio bot ein Sportverein an. An diesen Verein hatte die Klägerin zur Teilnahme an dem Training, neben den Kosten für das Fitnessstudio, einen gesonderten Mitgliedsbeitrag zu entrichten.

Nach Auffassung des FG sei – anders als in den bisher entschiedenen Fällen – im vorliegenden Fall der Nachweis einer ärztlichen Verordnung geführt worden. Aus diesem Grund seien die Aufwendungen insoweit als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, als sie auf das Funktionstraining, hier also die Wassergymnastik, entfallen. Dazu gehören die Mitgliedsbeiträge für den Sportverein und die Fahrtkosten zum Fitnessstudio. Nicht abzugsfähig seien dagegen die Beiträge für das Fitnessstudio selbst.

Der Fall

A ist ledig und wurde im Streitjahr 2018 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie ist als kaufmännische Export-Sachbearbeiterin nichtselbstständig tätig. Sie ist behindert im Sinne des § 33b EStG. Der Grad der Behinderung beträgt 30% seit dem 01.03.2014. Es liegt eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vor. Nach dem Attest der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis vom 24.09.2017 weist A ein sehr ausgeprägtes, multimorbides Krankheitsbild auf. Sie werde insbesondere weiterhin medikamentös, psychotherapeutisch und mit physikalischen Maßnahmen und Akupunktur behandelt.

Zur Behandlung der zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen und zur funktionellen Verbesserung und Schmerzreduktion wurde A am 03.04.2018 ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. A erhält seither ein jährliches Folgeattest. Die zuständige Krankenkasse übernahm die Kosten für ein wöchentliches Funktionstraining für die Dauer von 12 Monaten. Zunächst führte A die verordneten Wassergymnastikeinheiten beim Sportverein R e.V. durch. Dort konnte sie jedoch aufgrund ihrer privaten und beruflichen Situation das Reha-Funktionstraining nur am Samstag wahrnehmen. Andere Zeiten waren aufgrund der Berufstätigkeit von A nicht möglich gewesen. A erkundigte sich deshalb, ob es in ihrer Umgebung eine günstigere Möglichkeit zur Teilnahme am Reha-Funktionstraining gebe. Sie entschied sich schließlich, die Wassergymnastik im Fitnessstudio durchzuführen.

Die Gesamtfahrtstrecke reduzierte sich dadurch von zuvor 18 km auf 11 km. Dort finden spezielle Kurse statt, an denen nur solche Personen teilnehmen können, die aus Krankheitsgründen eine entsprechende Verordnung erhalten haben. Die Kurse werden von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Rehabilitationssport durchgeführt. A meldete sich in diesem Fitnessstudio als Mitglied an, was zwangsläufig erfolgen musste. Sie musste dann auch den Baustein „Wasserwelt“ (Modul Wellness und Spa) buchen. Der Wechsel zu dem Fitnessstudio war möglich, da zum 03.04.2018 eine neue ärztliche Verordnung ausgestellt wurde.

Die Krankenkasse der A rechnete die Kurskosten direkt mit dem Fitnessstudio ab. A verblieb dadurch ein Wochengesamtbeitrag für die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio für den gewählten Baustein „Wellness und Spa“ in Höhe von 13,10 € zuzüglich eines Betrags von 1,25 € für die Mitgliedschaft im R e.V. Der Verein führt das Funktionstraining durch. Das Finanzamt hat den Abzug nicht zugelassen.

Die Entscheidung

Das FG kam in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die Aufwendungen insoweit zu berücksichtigen seien, soweit sie (unmittelbar) auf das Funktionstraining entfielen. Dies sei nach Auffassung des FG nicht der Fall hinsichtlich der Kosten für das Fitnessstudio, die aber für den Zugang zu dem Training erforderlich waren. Dagegen seien die Mitgliedsbeiträge für den Verein und die Fahrtkosten zum Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Das FG hat die Revision zum BFH wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen. Nach Auffassung des FG erhalte der BFH aufgrund der großen Breitenwirkung so die Gelegenheit, hinsichtlich der Aufwendungen für das Fitnessstudio dem Grunde und der Höhe nach über den Abzug als außergewöhnliche Belastungen bei ärztlicher Verordnung zu entscheiden. Die Revision wurde jedoch nicht eingelegt.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.12.2022 – 9 K 17/21.