RICHARD BOORBERG VERLAG

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15.06.2020

Ansatz der üblichen Miete als Rohertrag

Einkommensteuer

Ist der für die Bewertung im Ertragswertverfahren maßgebliche Rohertrag eines bebauten Grundstücks das Entgelt, das für die Benutzung nach den vertraglichen Vereinbarungen als Miete zu zahlen ist?

Sohn S und Mutter M waren zu einem bzw. zwei Dritteln Miteigentümer eines Grundstücks, das mit 14 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit bebaut war. Am 14.2.2012 verstarb M und wurde von S beerbt. Im Rahmen seiner Erklärung zur Bedarfswertfeststellung setzte S für die Ermittlung des Gebäudeertragswerts einen jährlichen Rohertrag von 110.160 EUR an. Dabei ging er für vier Einheiten von den vertraglich vereinbarten Nettokaltmieten aus, legte jedoch für elf Einheiten die in dem Mietspiegel ausgewiesenen Mittelwerte zugrunde. Die tatsächliche Miete überschritten diese Mittelwerte zu mehr als 20 %. S war der Ansicht, dass der Begriff der üblichen Miete den Mittelwert des Mietspiegels meine. Er kam nach anderen rechnerischen Korrekturen zu einer Überschreitung der 20 %-Grenze für noch acht Einheiten. Das Finanzamt stellte den Grundbesitzwert der wirtschaftlichen Einheit auf den Todestag der M für Zwecke der Erbschaftsteuer dagegen auf insgesamt 1.469.646 EUR, den Anteil des S auf 979.764 EUR fest. Es ging von einem Rohertrag in Höhe von 130.272 EUR aus und setzte im Rahmen der Frage, ob die tatsächliche Miete um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweicht, als übliche Miete nicht den Mittelwert, sondern den obersten Wert der im Mietspiegel ausgewiesenen Spanne an. Das Finanzamt kam dadurch bei lediglich zwei vermieteten Einheiten zu Abweichungen der tatsächlichen Miete von der üblichen Miete um mehr als 20 %. Als Rohertrag für diese Einheiten setzte es den Mittelwert des Mietspiegels an. Im Übrigen blieb es bei dem Ansatz der höheren vertraglich vereinbarten Miete. Das Finanzamt bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Quelle:
BFH-Urteil vom 5.12.2019, Az. II R 41/16