Der BFH nahm eine wirtschaftliche Identität der abgetrennten Teilfläche mit dem bebauten Wohngrundstück an. Das Kaufvertragsdatum aus dem Kauf des (gesamten) Wohngrundstücks und das Kaufvertragsdatum des Kaufvertrags bei Veräußerung der abgetrennten Teilfläche lag innerhalb der 10-jährigen Veräußerungsfrist. In der Folge musste der IX. Senat zusätzlich entscheiden, ob die Identität so weit reicht, dass der abgetrennten Teilfläche auch die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Wohngebäudes zugerechnet werden konnte, um den Veräußerungsgewinn als nicht steuerpflichtig zu erhalten.
Der Fall
Die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute A und B erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag aus dem Jahr 2014 je zur Hälfte das im Ortsteil von A-Stadt gelegene Grundstück (Flurstück 10; Größe 3 863 m2) zum Kaufpreis von 123.000 €. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut, das die Eheleute seit 2015 bewohnen; die Außenflächen nutzten sie als Garten. In zeitlichem Zusammenhang mit Verkaufsgesprächen veranlassten A und B die Teilung ihres Grundstücks. Im Mai 2019 entstanden aus dem Flurstück 10 die Flurstücke 10/1 und 10/2. Das Flurstück 10/2 ist 1 000 m2 groß und erhielt eine eigene Hausnummer. Diese Teilfläche liegt vom Wohnhaus der Eheleute betrachtet als Streifen am Ende des insgesamt rechteckig geschnittenen Grundstücks. Das Flurstück 10/1 umfasst das bestehende Wohngebäude und die restlichen Freiflächen. Mit notariell beurkundetem Vertrag aus 2019 veräußerten die Eheleute das Flurstück 10/2 für 90.000 € und machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2019 dazu keine Angaben. Das Finanzamt (FA) erfasste den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung in Höhe von 66.400 €: Veräußerungspreis 90.000 € abzüglich anteilige Anschaffungskosten 23.600 €; geschätzt anhand des Bodenrichtwerts mit 23,60 €/m2 × Fläche 1 000 m2, als privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Das Finanzgericht (FG) gab den Ehegatten dagegen recht. Bei der veräußerten Teilfläche handele es sich um ein teilidentisches Wirtschaftsgut und damit sei die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, also die Voraussetzung der Steuerbefreiung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch für die abgetrennte Teilfläche erfüllt. Das FA legte gegen die FG-Entscheidung Revision ein.
Die Entscheidung
Der IX. Senat gab dem FA recht. Entgegen der Ansicht der Eheleute sei der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Teilfläche nicht steuerfrei. Die veräußerte Teilfläche sei zwar für Zwecke der Veräußerungsfrist mit dem im Jahr 2014 von den Ehegatten erworbenen Wohngrundstück (teil-)identisch. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Wohngebäudes durch A und B könne aber nicht der veräußerten Teilfläche zugeordnet werden. A und B hätten aus der Veräußerung der Teilfläche Flurstück 10/2 im Jahr 2019 nach § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbare und auch steuerpflichtige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt. Die Voraussetzungen für den Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG hätten aber nicht vorgelegen. Die Abtrennung der Teilfläche sei nämlich erfolgt, um es zu veräußern. Damit habe sich der Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Teilfläche geändert.
Allgemeines
Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren seit der Anschaffung veräußert, liegt ein steuerbares Veräußerungsgeschäft vor. Anschließend kann jedoch die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zur Anwendung kommen. Danach sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt werden, von der Besteuerung ausgenommen.
Ermittlung und Prüfung der Veräußerungsfrist
Im vorliegenden Fall war zwischen dem FA und den Ehegatten A und B unstreitig, dass die Anschaffung und Veräußerung der (Teil-) Fläche innerhalb von zehn Jahren erfolgt sind und der Verkauf jedenfalls ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft ausgelöst hat.
Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts. Maßgebliche Kriterien dafür sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut.
Wird ein Wirtschaftsgut angeschafft, aber nur teilweise veräußert, kann trotzdem die wirtschaftliche Teilidentität vorliegen. Die Aufteilung des Wirtschaftsguts kann bewirken, dass die Teile eine andere Marktgängigkeit erhalten. Die wirtschaftliche Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts bleibt jedoch in den Teilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Nach diesen Maßstäben hat nach Auffassung des BFH das FG zutreffend sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wegen der Veräußerung des Flurstücks 10/2 angenommen.
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt in der Vorschrift des § 23 EStG voraus, dass das Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird. Ertragsteuerlich bilden das Wohngebäude und der dazugehörende Grund und Boden unterschiedliche Wirtschaftsgüter. Dabei kann nur das Wohngebäude begrifflich zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Gleichwohl erstreckt sich die Ausnahme auch auf den Grund und Boden, auf dem das Wohngebäude steht, soweit ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen der Nutzung des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken und der Nutzung des Grundstücks vorliegt. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Davon ist das FG zu Recht ausgegangen. Für das neu entstandene unbebaute Grundstück bewirke die Teilung in Bezug auf die Annahme eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs eine Zäsur. Die Teilung ist erfolgt, um es veräußern zu können. Auf die frühere Nutzung der ungeteilten Grundstücksfläche komme es insoweit nicht mehr an.
Anmerkung
Der IX. Senat des BFH schließt nicht gänzlich aus, dass ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem (weiterhin) zu eigenen Wohnzwecken genutzten bebauten anderen Grundstück trotz der Teilung vorliegen könne. Allerdings führte er die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht weiter aus, da es für die vorliegende Entscheidung nicht erforderlich gewesen sei. Denn jedenfalls dann, wenn die Teilfläche wie in diesem Fall zum Zwecke der Veräußerung und Bebauung durch den Erwerber abgetrennt, veräußert und zielgerichtet für die Übergabe vorbereitet worden sei, könne ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstück und dem zu veräußernden Grundstück nicht (mehr) angenommen werden.