RICHARD BOORBERG VERLAG

×

14.03.2022

Abgabe von Speisen in Betriebskantine

   

Unterliegt die Abgabe von Speisen in einer Betriebskantine dem ermäßigten Umsatzsteuersatz?

Unternehmer U betreibt auf der Grundlage eines Bewirtschaftungsvertrags seit dem Jahr 2007 eine Betriebskantine bei der G-GmbH. Nach dem Vertrag war U in den Jahren 2011 bis 2016 verpflichtet, Speisen (Tellergerichte und Imbisse) anzubieten. Als Tellergerichte bot er wechselnd z. B. Römerbraten, Putenschnitzel, Rinderroulade mit Klößen und Kraut, Spaghetti mit Wurstgulasch oder Kohlrouladen mit Kartoffeln und Soße an. U gab die Speisen auf Mehrweggeschirr mit Besteck aus und nahm nach der Rückgabe die Reinigung vor.

Daneben überließ die G-GmbH dem U Räume mit mehreren Bereichen „unentgeltlich“. Die Küche und der Ausgabebereich waren durch eine Ausgabetheke, über die die Speisen den Kunden zur Verfügung gestellt wurden, von einem weiteren Bereich des Raums mit Tischen und Sitzgelegenheiten (Aufenthaltsbereich) getrennt, der nicht nur zum Verzehr der bei U erworbenen Speisen diente, sondern auch der offizielle Pausenraum für die Mitarbeiter der G-GmbH war. Die Kantine war von Montag bis Freitag von 6:30 Uhr bis 15:00 Uhr geöffnet. Außerhalb dieser Öffnungszeiten war der Ausgabebereich durch ein Rollgitter vom Aufenthaltsbereich abgetrennt. Der Aufenthaltsbereich stand den Mitarbeitern aller Schichten (inklusive Nachtschichten) rund um die Uhr zur Verfügung und wurde auch von Mitarbeitern eines anderen Betriebs, von Handwerkern, Speditionen, Mietern, Gästen, Monteuren, Nachbarn und Mitarbeitern von Dienstleistern genutzt.

U machte in seinen Umsatzsteuererklärungen für 2011 bis 2016 Umsätze aus Lieferungen und Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken sowohl zum ermäßigten als auch zum Regelsteuersatz geltend. Das Finanzamt war dagegen der Ansicht, dass die von U abgegebenen Speisen dem Regelsteuersatz von 19 % und nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zu unterwerfen seien. Bei den Speisen handele es sich nicht um Standardspeisen. Die Sitzgelegenheiten seien U zuzurechnen, denn ihm habe ein Mitbenutzungsrecht am Aufenthaltsbereich zugestanden. Außerdem habe U mit der Ausgabe der Speisen auf Geschirr sowie dessen Rücknahme und Reinigung weitere Dienstleistungselemente erbracht. Ein Unternehmer, der in einer Betriebskantine Speisen portioniere, auf Mehrweggeschirr mit Mehrwegbesteck ausgebe sowie das Geschirr und Besteck nach dessen Rückgabe reinige, erbringe eine sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz von 19 % unterliege.

Das Finanzamt bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Autoren:
Marcus Preu
Quelle:
BFH-Urteil vom 20.10.2021, Az. XI R 2/21