N ist Geschäftsführer der B GmbH. Er hielt auch die Hälfte der Geschäftsanteile. Als ein neuer Gesellschafter, A, aufgenommen wurde, verringerten sich seine Geschäftsanteile auf 45 %. In einem Gesellschafterbeschluss wurde vereinbart, dass A neuer einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer wird und intern verantwortlich für den Bereich Finanzen und Administration sein soll. Des Weiteren wurde beschlossen, dass A ab dem 01.07.2019 den Vorsitz der Geschäftsführung übernehmen werde. Zu diesem Termin wurde auch E zum gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. E sollte intern für den Bereich Vertrieb und Organisationsentwicklung zuständig sein. Sowohl A als auch E waren mit ihrer Bestellung einverstanden. Es wurden noch weitere Geschäftsführungskompetenzen und -regelungen beschlossen.
N spielte bei keiner dieser Überlegungen zur Geschäftsführung eine wie auch immer geartete Rolle. N kannte die Beschlüsse, da er als Gesellschafter an ihnen mitgewirkt hatte. N wurde aber vom neu bestellten Geschäftsführer nicht aus dem Handelsregister ausgetragen. Dort war N auch über den 30.06.2019 hinaus als Allein-Geschäftsführer der B GmbH eingetragen.
Am 18.11.2019 stellte die B GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Die Lohnsteuer für die Monate Juni 2019 bis Dezember 2019 nebst steuerlichen Nebenleistungen sowie Säumniszuschläge zur Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für Mai 2019 in Höhe von rund 40.000 € waren von der B GmbH nicht vollständig beglichen worden. Das Finanzamt wollte N in persönliche Haftung nehmen. Dagegen argumentierte N, dass sein Geschäftsführungsamt mit der B GmbH bereits zum 30.06.2019 geendet habe. Die notariellen Urkunden, mit denen die anderen designierten Geschäftsführer, A und E, bestellt werden sollten, seien bereits vorbereitet gewesen.
A habe aber vorgegeben, keine Zeit für den Notarbesuch zu haben, weshalb die Löschung der Handelsregister-Eintragung aufgeschoben worden sei. Faktisch jedoch hätten A und E die Geschäftsführung übernommen. N sei nicht mehr in den Zahlungsverkehr eingebunden gewesen. Nachdem sein Einspruch gegen den Haftungsbescheid als unbegründet zurückgewiesen wurde, klagte N – mit Erfolg.
Rechtswidriger Haftungsbescheid
Der Haftungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt N in seinen Rechten. N war ab dem 01.07.2019 nicht mehr gesetzlicher Vertreter der B GmbH.
Eine GmbH wird gesetzlich durch ihren respektive ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbH-Gesetz/GmbHG). Geschäftsführer ist, wer dazu von der Gesellschafterversammlung oder dem sonstigen satzungsgemäßen Organ bestellt wurde. Die Bestellung erfolgt gemäß § 6 Abs. 3 GmbHG entweder im Gesellschaftsvertrag oder den §§ 35 – 52 GmbHG.
Nach § 46 Nr. 5 GmbHG gehört die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern zum Aufgabenkreis der Gesellschafter, welche die Entscheidung durch Gesellschafterbeschluss treffen (§§ 47 Abs. 1, 48 GmbHG). Der Beschluss ist grundsätzlich formlos möglich: Lediglich dann, wenn die Namen der Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag genannt werden und deshalb eine Satzungsänderung erforderlich ist, bedarf der die Bestellung oder Abberufung von GF betreffende Beschluss der notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 3 GmbHG).
Abberufung ist das Ende der Geschäftsführungstätigkeit
Mit der Abberufung als Geschäftsführer ist die Geschäftsführertätigkeit beendet (§ 46 Nr.5 in Verbindung mit §§ 35, 38 GmbHG). Dies gilt unbeschadet des Zeitpunkts, in dem die Beendigung im Handelsregister eingetragen wird. Zwar bestimmt § 39 Abs. 1 GmbHG, dass jede Änderung in den Personen der Geschäftsführung sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist.
Handelsregistereintragung der Abberufung rein deklaratorisch
Die Eintragung der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers ins Handelsregister habe nur deklaratorische Wirkung. Das heißt, sowohl Beginn als auch Ende der gesellschaftsrechtlichen Organstellung – und damit auch die Entstehung und das Erlöschen der steuerrechtlichen Pflichtenstellung bei GmbH-Geschäftsführer – hängen allein von dem Inhalt und der Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses ab. Der öffentliche Glaube des Handelsregisters gemäß § 15 Handelsgesetzbuch (HGB) hat keinen Einfluss auf die Haftung nach § 69 Abgabenordnung (AO).
Auswahlverfahren der potenziell Haftenden mangelhaft
Die Begründung des Finanzamts, außer N gäbe es keinen Verantwortlichen, sei so nicht richtig. Zeugen bestätigten, dass A bereits Anfang Mai 2019 ein eigenes Büro eingerichtet habe und seitdem alle die B GmbH betreffenden Entscheidungen selbst habe treffen wollen. Inwiefern E sein Amt als Geschäftsführer zum 01.07.2019 ebenfalls tatsächlich angetreten hat, ist für den Ausgang des Klageverfahrens ohne Bedeutung und bedarf deshalb keiner Entscheidung.