Anmerkungen zu den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 16. 2. und vom 19. 5. 2022 (B 8 SO 14/20 R und B 8 SO 1/21 R)
von Dr. Manfred Hammel1
A) Grundsätzliches
Sowohl dem Regelbedarf der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff. SGB XII als auch dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend den §§ 20 ff. SGB II liegt der Grundsatz der umfassenden Pauschalierung von Leistungen der öffentlichen Fürsorge zugrunde.
Der fortlaufend fällig werdende, existenznotwendige Bedarf soll über monatliche Pauschalen gedeckt werden, die auch für die Finanzierung von „Hausrat“ (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. § 27 a Abs. 1 Satz 1 SGB XII) auszureichen haben.
Von diesen Beträgen müssen leistungsberechtigte Personen besondere Rücklagen, ein „Anspar-Sondervermögen“, bilden, das dazu dienen soll, mit einem hohen Kostenaufwand verbundene Bedarfe (z. B. für einen neuen Wintermantel, einen Kühlschrank oder eine Waschmaschine) zu finanzieren, wenn die bislang genutzten Sachen verschleißbedingt unbrauchbar geworden sind.
Eine Konzeption, die das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 9. 2. 20102 ausdrücklich nicht für verfassungswidrig hielt. Hilfebedürftigen Personen, die – aus welchen Gründen auch immer, ob wegen Überschuldung oder der Finanzierung anderer, hohe Kosten verursachende Bedarfe wie z. B. für von keinem Krankenversicherungsträger anerkannte Arzneimittel – keine ausreichenden Rücklagen bilden können, bleibt das Existenzminimum über die Möglichkeit gewahrt, beim Jobcenter bzw. Sozialamt um die Bewilligung eines Darlehens nach § 24 Abs. 5 Satz 1 SGB II bzw. § 37 Abs. 1 SGB XII („Ergänzende Darlehen“) nachzusuchen.
Diese Verbindlichkeit muss allerdings auch bei weiterer Mittellosigkeit durch eine monatliche Aufrechnung mit dem jeweils bewilligten Regelbedarf entsprechend § 42 a Abs. 2 Satz 1 SGB II bzw. § 37 Abs. 4 Satz 1 SGB XII getilgt werden. Dies schmälert für diese Phase die dieser Klientel für die fortlaufend fällig werdende Deckung existenznotwendiger Bedarfe zur Verfügung stehenden Geldmittel.
Der Gesetzgeber baute in § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sowie in § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII eine Ausnahmevorschrift ein. Auf dieser Grundlage hat ein Jobcenter bzw. Sozialamt zusätzlich zum Regelbedarf einmalige Leistungen für „Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten“ zu bewilligen. Nach wortwörtlicher Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Erstausstattung“ besteht ein Anspruch auf eine solche Beihilfe einzig anlässlich des erstmaligen Bezugs einer Mietsache.
Aus der Gesetzesbegründung3 geht allerdings in Orientierung anhand von Sinn und Zweck sowie dem Gesamtzusammenhang dieser Norm hervor, solche einmalige Leistungen könnten ebenfalls z. B, „nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft in Betracht“ kommen. In dieser Situation sind bedürftige Personen faktisch mit ein und derselben Problematik konfrontiert wie bei der erstmaligen Gründung eines eigenen Wohnsitzes. Bedingt durch „höhere Gewalt“ muss sich ein mittelloser Mensch, wenn er in eigenen Räumen menschenwürdig leben möchte, in dieser besonderen Lebenssituation, in der keine Ausstattung mehr besteht, vollkommen neu einrichten, sofern z. B. keine Ansprüche gegen den Vermieter und seine Gebäudebrandversicherung erhoben werden können4. Nach dieser Konstruktion ist eine Ausnahme von der Bedarfsdeckung durch eine weitgehende Pauschalierung der Regelsätze gerechtfertigt.
Das BSG stellte mit Urteil vom 6. 8. 20145 fest, das im Fall eines aus einer stationären Langzeittherapie wegen Heroinabhängigkeit in seine bisherige Wohnung zurückkehrenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) erging, der beim Jobcenter um eine „Wiedereingliederungsbeihilfe“ wegen unbrauchbarer oder fehlender Einrichtungsgegenstände nachsuchte, heraus, die Beanspruchung einer Geldleistung für die erneute Beschaffung von Mobiliar entsprechend § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II würde eine Erfüllung der drei nun folgenden Punkte voraussetzen:
1. Ein Bestehen „außergewöhnlicher Umstände“ bzw. eines „besonderen Ereignis“, mit dem die Klientel in unvorhersehbarer Weise selbst, unmittelbar und gegenwärtig konfrontiert ist.
2. Die Entstehung eines „speziellen Bedarf“, der sich nicht durch problemlos zur Verfügung stehende Eigenmittel vollständig decken lässt.
3. Die Erwiesenheit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den oben unter 1. und 2. näher bezeichneten Punkten.
B) Die Waschmaschine als ein notwendiger Einrichtungsgegenstand nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II bzw. § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII
Das BSG bestätigte mit Urteilen vom 16. 2. und vom 19. 5. 20226 die von den Tatsacheninstanzen überwiegend vertretene Auffassung, dass es sich auch bei einem Ein-Personen-Haushalt bei einem Bedarf an einer Waschmaschine um einen Erstausstattungsbedarf handelt, der über die Bewilligung einer einmaligen Leistung nach den maßgebenden Bestimmungen befriedigt werden kann7.
Das LSG Niedersachsen-Bremen vertrat z. B. mit Beschluss vom 23. 6. 20068 im Fall einer schwerbehinderten Antragstellerin, die eine eigene, teilmöblierte Wohnung bezog und angab, sie wäre aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, einen „Waschsalon“ aufzusuchen, weil sie behinderungsbedingt Gegenstände mit einem Gewicht von mehr als zwei Kilo nicht mehr transportieren könnte, noch die nun folgende Einschätzung: „Zum notwendigen Bedarf an Haushaltsgeräten gehört eine Waschmaschine nur, wenn keine andere, zumutbare Möglichkeit zum Waschen gegeben ist. (…) Da der ehemalige Vermieter der Antragstellerin ebenfalls erklärt hat, der Antragstellerin bei Großeinkäufen zu helfen, sie zum Einkaufen zu fahren und die Einkäufe zu tragen, könnte in diesem Zusammenhang auch die Wäsche mitgenommen werden. Soweit der ehemalige Vermieter Strom- und Wasserkosten begehrt, ist es der Antragstellerin durchaus zuzumuten, einen entsprechenden Betrag an diesen zu zahlen. Würde eine Waschmaschine in ihrem Haushalt stehen, müsste sie für diese Kosten auch selbst aufkommen“. – Dieses Beschwerdegericht stellte dort zum einen auf eine abstrakte Möglichkeit der Selbsthilfe über die Inanspruchnahme der Dienste einer dritten Person auf Freiwilligkeitsebene ab. Zum anderen schätzte dieses LSG die in diesem Zusammenhang regelmäßig entstehenden Kosten als eher geringfügig ein.
Das Sozialgericht Dresden brachte hingegen mit Beschluss vom 10. 10. 20149 deutlich zum Ausdruck: „Die vom Antragsteller vorgetragenen (…) gesundheitlichen Einschränkungen können dahin stehen. Das Wäschewaschen ist ohne Weiteres vom Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) umfasst. Der Regelbedarf aus § 20 SGB II deckt aber die durch den regelmäßigen Besuch eines Waschsalons entstehenden, gegenüber dem Gebrauch einer eigenen Waschmaschine nicht unerheblichen Mehrkosten nicht ab. Damit muss sich ein Hilfebedürftiger auch dann nicht auf den Besuch eines Waschsalons verweisen lassen, wenn sich ein solcher in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung befindet“.
Die Ausstattung der Wohnung auch einer hilfebedürftigen Person mit einer Waschmaschine hat somit in gleicher Weise wie z. B. mit einer Kochgelegenheit und einem Kühlschrank als zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse unerlässlich eingeschätzt zu werden10.
In diesem Zusammenhang stehen einzig bedarfsbezogene Aspekte im Vordergrund. Ein Rechtsanspruch auf eine Erstausstattung für eine Wohnung besteht z. B. auch dann, wenn ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter die erforderliche Beschaffung von Einrichtungsgegenständen zunächst kraft freier Willensentscheidung unterließ und während einer Übergangszeit in einer unmöblierten Unterkunft lebte, bis schließlich ein entsprechender Antrag gestellt wurde11.
C) Das Urteil des BSG vom 19. 5. 202212 („keine einmalige Leistung bei einem verschleißbedingten Ergänzungsbedarf“)
In diesem Fall suchte die über 65-jährige Revisionsklägerin, die wegen der geringen Höhe ihrer Altersrente auf ihr nach den §§ 41 ff. SGB XII aufstockend gewährte Hilfen angewiesen war, beim Sozialhilfeträger um die Gewährung eines Zuschussbetrags für die Ersatzbeschaffung einer Waschmaschine, da ihr Gerät verschleißbedingt nicht mehr funktionstüchtig war und deshalb im Rahmen eines Wohnungswechsels entsorgt zu werden hatte, entsprechend § 42 Nr. 2 i. V. m. § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII nach. Diese alleinstehende Bedürftige verwies insbesondere darauf, sie hätte zwar über Jahre hinweg ihre Wäsche in erster Linie mit der Hand und gelegentlich in einem Waschsalon gewaschen. Dies würde ihr aber aufgrund ihrer sich stetig verschlechternden gesundheitlichen Verfassung immer schwerer fallen. Die Revisionsinstanz bestätigte die Rechtmäßigkeit der vom Sozialhilfeträger verfügten Ablehnung. Von „außergewöhnlichen Umständen“ oder einem „besonderen Ereignis“ war bei diesen Gegebenheiten in keiner Weise auszugehen. Hierunter ist gerade nicht die Abnutzung eines bislang problemlos zur Verfügung stehenden Geräts nach langer Gebrauchsdauer, sondern lediglich die erstmalige Ausstattung der Wohnung einer mittellosen Person mit einer Waschmaschine als notwendigem Gebrauchsgut zu verstehen.
Das BSG lehnte in dieser Sozialrechtssache eine erweiternde Auslegung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in dem Sinne, dass mit Hinweis auf diese Norm ein Sozialhilfeträger auch zur Übernahme der Kosten für die Neuanschaffung notwendiger, langlebiger und deshalb typischerweise entsprechend teuren Haushaltsgeräten verpflichtet wäre, wenn diese Sachen nach jahrelanger, bestimmungsgemäßer Benutzung irreparabel defekt geworden sind und ein dringender Bedarf an solchen Geräten besteht, ab.
Auch wenn die Ersetzung eines unbrauchbar gewordenen Haushaltsgegenstands durch eine neue, funktionsfähige Sache unabdingbar erforderlich ist, liegt hiernach keine Erstausstattung i. S. d. § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII vor. Von maßgeblicher Bedeutung ist hier zentral der Aspekt, ob z. B. eine Waschmaschine für den jeweiligen Haushalt erstmalig angeschafft zu werden hat13.
Die Revisionsinstanz verwies in dieser Entscheidung überdies auf die der Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) zugrunde liegende Ansparkonzeption. Hiernach hat ebenfalls die auf Leistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII angewiesene Klientel die für die Befriedigung solcher Bedarfe erforderlichen Mittel aus den ihnen bewilligten Regelbedarfen eigenverantwortlich anzusparen.
Wem dies – z. B. aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen – nicht gelingt, der kann für diesen Anschaffungsbedarf beim Sozialhilfeträger um die Bewilligung eines Darlehens gemäß § 37 Abs. 1 SGB XII nachsuchen. In Sachen der Rückzahlung dieser Verbindlichkeit räumte der Gesetzgeber dem Sozialamt in § 37 Abs. 4 Satz 1 SGB XII sowohl hinsichtlich der Höhe des Prozentsatzes der von dieser Behörde von den monatlichen Regelsätzen einzubehaltenden „Teilbeträge“ („…bis zur Höhe von jeweils 5 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28…“) als auch hinsichtlich der Aufrechnung als solcher ein Ermessen ein: Hiervon hat ein Sozialhilfeträger pflichtgemäß Gebrauch zu machen (§§ 2 Abs. 2 und 39 Abs. 1 SGB I).
Das Problem besteht an dieser Stelle darin, dass auch eine Person mit einem entsprechend schweren Lebensschicksal wie die in diesem Revisionsverfahren unterlegene Klägerin, die ohne Angehörige lebte und aufgrund ihres hohen Lebensalters sowie ihrer angegriffenen gesundheitlichen Verfassung unter keinen Umständen über die Möglichkeit verfügte, z. B. über die Ausübung einer Nebentätigkeit ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, keinen auf eine Erlassentscheidung gerichteten Rechtsanspruch geltend machen kann. Ein Sozialhilfeträger entscheidet in diesen Fällen in Berücksichtigung der den jeweiligen Einzelfall kennzeichnenden Besonderheiten nach freiem Ermessen14. Dies lässt sich von der Betroffenenseite aber nie exakt voraussehen, auch wenn ein Sozialamt an dieser Stelle ebenfalls der ihm in § 1 Satz 1 SGB XII zentral vorgegebenen, obersten Aufgabenstellung zu entsprechen hat, nämlich leistungsberechtigten Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) zu ermöglichen.
D) Das Urteil des BSG vom 16. 2. 202215 („Bewilligung einer einmaligen Leistung nach krankheitsbedingter „Entsorgung“ des bisherigen Hausrats“)
In dieser Sozialrechtssache bejahte die Revisionsinstanz die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Finanzierung eines erneuten Bedarfsanfalls (Ersatzbeschaffung) in Bezug auf die Ausstattung einer Wohnung mit Einrichtungsgegenständen wie auch einer Waschmaschine. Bei der Klägerin handelte es sich um eine ursprünglich erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die im Zuge eines schweren psychischen Krankheitsschubs weite Teile ihrer bis zu diesem Zeitpunkt noch funktionierenden Wohnungseinrichtung „entsorgte“, und nach einem Jahr, in dem sie verschiedene im vollstationären Rahmen durchgeführte Behandlungen in Anspruch nahm, als erwerbsgemindert auf Zeit (§ 43 Abs. 2 i. V. m. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) anerkannte Person wieder in ihre bisherige Wohnung zurückkehrte. Von dort aus wurde von ihr, weil sie bedingt durch die geringe Höhe ihrer Erwerbsminderungsrente auf ihr entsprechend den §§ 27 ff. SGB XII aufstockend gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen war, beim Sozialamt ein Antrag auf die Bewilligung eines Zuschusses für eine neue Erstausstattung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII gestellt.
Im Fall dieser seelisch wesentlich behinderten Person16, die einen derart schweren, mit wahnhaften und halluzinatorischen Vorstellungen verbundenen Krankheitsschub, der die Vernichtung ihrer bisherigen Einrichtungsgegenstände zur Folge hatte, erlitt, ging das BSG von einem „von außen“ einwirkenden „außergewöhnlichen Umstand“ aus, der gerade keinen „üblichen Verschleiß“ dieser Sachen bewirkte.
Auch bei psychisch kranken Menschen hat der Vorrang der Gewährung ambulanter vor der Bewilligung (teil-) stationärer Hilfen Gültigkeit17. Es entspricht dem berechtigten Interesse sämtlicher beteiligter Sozialleistungsträger, wenn auch diese Klientel so lange wie möglich in ihrer bisherigen Wohnung, für deren Erhaltung während der langen Krankheitsphase die erforderlichen öffentlichen Mittel aufgewendet wurden, leben kann.
Die in diesem Fall klagende Person konnte deshalb einen „speziellen Bedarf“ an einer neuen Wohnungserstausstattung geltend machen. Diese Empfängerin aufstockender Hilfen stand nach der krankheitsbedingten „Entsorgung“ ihrer bisherigen Wohnungseinrichtung der vom BSG vertretenen Einschätzung gemäß in gleicher Weise vor dem „Nichts“ wie dies nach einem Wohnungsbrand oder einer nach einer Haftentlassung in einer neuen, gänzlich unmöblierten Unterkunft der Fall gewesen wäre. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen außergewöhnlich sich darstellenden, ein besonderes Ereignis verursachenden Lebensumständen, die zu einer erneuten, erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichenden Notlage führten, lag hier vor.
Das oberste deutsche Sozialgericht vertrat hier eine als sachgerecht aufzufassende Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Erstausstattung“ i. S. d. § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Wenn krankheitsbedingt der bislang vorhandene, verwendungsfähige Hausrat vernichtet wurde, dann muss eine notwendig werdende Ersatzbeschaffung von Einrichtungsgegenständen als vom Begriff der „Erstausstattung“ mit umfasst akzeptiert werden, sofern die bedürftige Person wieder in diese Wohnung zurückkehren und weiterhin dort leben kann, sich in dieser Unterkunft aber kein verwendungsfähiges Mobiliar mehr befindet, und ihr auch keine anderen Hilfen zur Neueinrichtung zur Verfügung stehen.
Nur dann, wenn ein weiterer Aufenthalt dieser Person außerhalb von Einrichtungen nicht mehr vertretbar ist, weil sich z. B. immer wieder schwere Auffälligkeiten zeigen, ist entsprechend der „Erfordernisse des Einzelfalls“18 die Einweisung dieses seelisch wesentlich behinderten Menschen in eine stationäre Maßnahme und die Beendigung der Finanzierung des weiteren Aufenthalts im ambulanten Raum gerechtfertigt.
Dieses wichtige Auslegungsergebnis müsste insbesondere in die von kommunalen und überörtlichen Trägern herausgegebenen Sozialhilferichtlinien mit aufgenommen werden.
Wenn Scheider19 in der Kommentierung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII ausführt, „bei Ersatzbeschaffungen von defekten oder veralteten Gegenständen“ würde es sich „um keine Erstausstattung“ im Sinne dieser Norm handeln, dann trifft dies nur auf den Fall zu, wenn z. B. eine zunächst voll funktionstüchtige, beim Bezug einer Wohnung mit öffentlichen Mitteln angeschaffte Waschmaschine im Lauf der Jahre durch einen haushaltsüblichen Verschleiß unbrauchbar wurde20, oder eine „Entsorgung“ im Zuge eines Umzugs erfolgte, ohne dass antragstellerseitig hierfür eine nachvollziehbare Erklärung abgegeben werden kann21.
Hiervon zu unterscheiden ist allerdings der Fall, wenn sich hilfebedürftige Personen in einer Sondersituation befinden, die eine Ausstattung mit notwendigen Einrichtungsgegenständen auf Zuschussebene unabdingbar erforderlich macht. Das BSG erkannte bislang in den nun folgenden Fällen auf die Verpflichtung des Jobcenters zur Bewilligung einer einmaligen Leistung zur Ersatzbeschaffung von Einrichtungsgegenständen gemäß dem heutigen § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II22:
1. Bei einer Neubegründung eines Haushalts nach einer Trennung von der bisherigen Partnerin, wenn der in der ehemaligen Wohnung genutzte Hausrat sich noch dort befindet und die weiterhin in dieser Unterkunft lebende Person sich einer Herausgabe dieser prinzipiell noch verwendungsfähigen Sachen widersetzt23.
2. Bei einem vom Jobcenter mit Verweis auf § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II erwirkten Neubezug von Wohnraum, wo sich im Zuge des Umzugs herausstellt, dass wichtige Einrichtungsgegenstände in die neue Unterkunft nicht mehr transportierbar sind24.
3. Bei einer Rückkehr einer bedürftigen Person nach einer mehrmonatigen stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in die bisherige Unterkunft, wo aber das dort einst bestehende Mobiliar nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden kann25.
4. Bei einem Neubezug einer Wohnung nach einem über 20 Jahre andauernden Freiheitsentzug, was gleichbedeutend mit einem unterkunftsmäßigen Neubeginn ist26.
5. Bei einer Rückkehr von einem berufsbedingt im Ausland durchgeführten Arbeitsaufenthalt, wo die nach dorthin verbrachten Einrichtungsgegenstände in erster Linie bedingt durch die Auflösung der dienstvertraglichen Beziehungen auch verblieben sind, in das Bundesgebiet mit nur noch einem „Koffer mit Klamotten“27.
Verschuldensgesichtspunkte sind in diesem Sachzusammenhang insoweit ohne Bedeutung, solange ein Jobcenter bzw. Sozialamt nicht den Nachweis schlüssig führen kann, dass die um eine entsprechende einmalige Leistung nachsuchende Person den von ihr geltend gemachten Bedarf an einer weiteren Erstausstattung der von ihr bewohnten Unterkunft gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB XII entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dies liegt z. B. vor, wenn eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Sachherrschaft über Möbel und Hausrat, die vom Jobcenter ihr als Erstausstattung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II finanziert worden sind, im Zuge einer Rückkehr in ihr Herkunftsland durch ein einfaches, plötzliches Verlassen der Mietwohnung – ohne die vorherige Aussprache einer Kündigung und in bewusster Zurücklassung ihres mit öffentlichen Mitteln angeschafften Hausrats – wissentlich und willentlich aufgegeben hat sowie einige Jahre später dem SGB II-Träger gegenüber erneut einen Bedarf in Sachen „Wiederbeschaffung von Wohnungseinrichtung“ geltend macht, ohne ihr Verhalten näher zu begründen28. Hiervon kann allerdings bei als seelisch wesentlich behindert i. S. d. § 3 EinglVO einzuschätzenden Personen, die mit massiven, krankheitsbedingten Schwierigkeiten bei der Steuerung ihres Verhaltens konfrontiert sind, und bei denen deshalb besondere Bedarfe entstehen, regelmäßig nicht ausgegangen werden29.
E) Schlussfolgerung
Die sachgerechte Auslegung und Anwendung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII und hier des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Erstausstattungen“ führt immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten.
Gerade aufgrund der von der Rechtsprechung in besonders gelagerten Fällen geäußerten Anerkennung auch einer Ersatzbeschaffung als eine unter diese Norm fallende Leistung ist der Gesetzgeber gefordert, § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII und die in § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II eingebaute Parallelnorm zu ändern.
Die zukünftige Fassung sollte lauten:
„Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Ausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten insbesondere beim erstmaligen Bezug (…) werden gesondert erbracht“.
Hiermit würde klargestellt werden, dass Sozialämter und Jobcenter nicht nur zur Finanzierung einer „Erstausstattung“ im streng wortwörtlichen Sinne, sondern auch bei in diesem Zusammenhang besonders begründeten Bedarfen mittelloser Personen einen Zuschuss zu bewilligen haben.
Anmerkungen
1 Juristischer Mitarbeiter beim Caritasverband für Stuttgart e. V.; E-Mail: dr.m.hammel@t-online.de.
2 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09.
3 BTDrs. 15/1514, S. 60.
4 Dies gebietet der aus § 2 Abs. 1 SGB XII hervorgehende Nachranggrundsatz, dem gemäß es sich hier bei dieser über den Wohnungsgeber ggf. realisierbaren Leistung um eine „erforderliche Leistung von anderen“ im Sinne dieser Bestimmung handelt, der gegenüber die Geltendmachung entsprechender Ansprüche gegenüber dem Sozialhilfeträger nur subsidiär ist (hierzu auch grundlegend Rothkegel: Die Strukturprinzipien des Sozialhilferechts; Baden-Baden 2000, S. 92 ff. und von Boetticher, in: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV): Fachlexikon der Sozialen Arbeit; 9. Auflage Baden-Baden 2022, S. 609.
5 B 4 AS 57/13 R – ZfF 2014, S. 279 ff.
6 B 8 SO 14/20 R bzw. B 8 SO 1/21 R.
7 LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. 10. 2007 – L 20 AS 12/07; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. 5. 2014 – L 11 AS 369/11 und Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 10. 10. 2014 – S 20 AS 5639/14 ER.
8 L 8 SO 82/06 ER.
9 S 20 AS 5639/14 ER.
10 Hierzu auch das LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 29. 10. 2007 – L 20 AS 12/07.
11 BSG, Urteil vom 20. 8. 2009 – B 14 AS 45/08 R, demzufolge ein Anspruch nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II einzig „bedarfsbezogen zu verstehen“ sowie der Aspekt maßgebende Bedeutung hat, „ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist“, damit „eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen“ ermöglicht wird; hierzu auch bei Dauber, in: Mergler/Zink: SGB XII, Rdnr. 5 zu § 31 SGB XII und Falterbaum, in: Hauck/Noftz: SGB XII; K § 31, Rdnr. 22.
12 B 8 SO 1/21 R.
13 Hierzu auch bei Dauber, in: Mergler/Zink: SGB XII, Rdnr. 4e zu § 31 SGB XII sowie in einem ähnlich gelagerten Fall eines schwerbehinderten erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Drogenproblem das LSG Hamburg mit Urteil vom 10. 2. 2011 – L 5 AS 84/08.
14 Zum Grundsatz der individualisierenden Bedarfsdeckung im Sozialhilferecht: § 9 Abs. 1 SGB XII sowie hierzu auch bei Rothkegel: Die Strukturprinzipien des Sozialhilferechts, S. 41 ff. und Fahlbusch, in: DV: Fachlexikon der Sozialen Arbeit, S. 83/84.
15 B 8 SO 14/20 R.
16 Vgl. § 3 EinglVO.
17 Vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII.
18 Vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und der in § 9 Abs. 1 SGB XII fixierte Individualisierungsgrundsatz.
19 In: Schellhorn/Hohm/Scheider/Busse: SGB XII; 21. Aufl. Hürth 2023, Rdnr. 10 zu § 31 SGB XII.
20 Vgl. Sozialgericht Hildesheim, Urteil vom 11. 12. 2007 –S 34 SO 62/07 und Sozialgericht München, Urteil vom 29. 3. 2018 – S 22 SO 344/17.
21 Vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. 6. 2017 – L 7 SO 922/17 sowie LSG Hessen, Urteil vom 25. 1. 2017 –L 6 AS 205/16: „…Es ist nicht Sinn und Zweck der Vorschrift über die Erstausstattung dem Leistungsberechtigten eine Mobilität zu garantieren, bei der er sich mit dem Verbleib von Möbeln und Hausrat nicht beschäftigen muss, weil er sich bei einem erneuten Zuzug in den Zuständigkeitsbereich eines Leistungsträgers nach dem SGB II dieser erneut verpflichtet ist, eine Erstausstattung zu gewähren, wenn auf die früher vorhandenen Möbel etc. nicht mehr zugegriffen werden kann…“.
22 Hierzu auch bei Dauber, in: Mergler/Zink: SGB XII; Rdnr. 4a zu § 31 SGB XII und Hammel ZfF 2019, S. 82 ff., 83/84.
23 BSG, Urteil vom 19. 9. 2008 –B 14 AS 64/07 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. 7. 2014 –L 11 AS 369/11 und Sozialgericht Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 4. 6. 2021 – S 27 AS 2124/15 – info also 2021, S. 181 ff. mit Anmerkung von Kötter.
24 BSG, Urteil vom 1. 7. 2009 – B 4 AS 77/08 R.
25 BSG, Urteil vom 19. 8. 2010 – B 14 AS 36/09 R.
26 BSG, Urteil vom 13. 4. 2011 – B 14 AS 53/10 R.
27 BSG, Urteil vom 27. 9. 2011 – B 4 AS 202/10 R.
28 LSG Hessen, Urteil vom 25. 1. 2017 – L 6 AS 205/16.
29 BSG, Urteil vom 19. 8. 2010 – B 14 AS 36/09 R.