Das Vertrauen von Verbrauchern in bestimmte Produkte und die Verlässlichkeit von Herstellern ist durch aktuelle Enthüllungen und Debatten verständlicherweise erschüttert. Dies betrifft ganz unterschiedliche Branchen, so etwa Medizinprodukte („Implant Files“), Kraftfahrzeuge („Dieselskandal“) und Pflanzenschutzmittel (Stichwort: Glyphosat).
Die einzelnen Vorwürfe und die Verantwortung für etwaige Missstände müssen rechtlich aufgearbeitet werden. Es stellt sich aber auch die (rechts-)politische Frage, ob die Kontrolle der betroffenen Produkte oder von Produkten im Allgemeinen anders geregelt werden sollte. Einige neue Rechtsvorschriften lassen sich als Antworten der Gesetzgeber verstehen.
Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privaten
Es ist primär eine politische Entscheidung, wie die Überprüfung von Produkten reguliert werden soll. In vielen Bereichen haben sich die europäischen und nationalen Gesetzgeber dafür entschieden, die Hauptverantwortung für die Prüfung von Produkten privaten Akteuren zuzuordnen. Bei Pflanzenschutzmitteln ist das Verfahren beispielsweise bisher so angelegt, dass die Hersteller bei der Anmeldung von Wirkstoffen den Behörden Studien vorlegen, die sie in Auftrag gegeben haben. Dagegen sind eigene Laboruntersuchungen bisher weder vorgesehen, noch hätten die Behörden die Mittel und Kapazitäten dafür. In anderen Bereichen, wie bei Medizinprodukten, erfolgt die Prüfung durch die Hersteller, wobei – sofern das Verletzungsrisiko nicht allgemein als gering eingestuft wird – eine Benannte Stelle zu beteiligen ist. Benannte Stellen sind private Einrichtungen, deren Kompetenz der Staat allerdings – meist in der Form der Akkreditierung – anerkannt hat.
Eine naheliegende Reaktion auf den Verlust des Vertrauens in die Industrie ist es, eine stärkere Kontrolle durch den Staat zu fordern. Dies bedeutet allerdings auch, dass die Bereitschaft bestehen muss, die staatlichen Stellen mit den entsprechenden Mitteln auszustatten, um entsprechende Expertise aufzubauen oder unabhängige Sachverständige zu bezahlen. Dies würde jedenfalls einen erheblichen finanziellen Aufwand und auch eine gewisse Zeit beanspruchen. Es darf zudem bezweifelt werden, dass dies in allen Mitgliedstaaten der EU realistisch geleistet werden kann. Kleinere Länder können kaum Experten und sachliche Ausstattungen für die Vielzahl von technischen Prüfungen bereitstellen. Dies gilt erst recht für innovative Produkte, die neben dem fachlichen Sachverstand eine Einarbeitung voraussetzen. Nach einem Bericht der Europäischen Kommission lagen die Budgets der Mitgliedstaaten für die fortlaufende Marktüberwachung (also nicht die erstmalige Zulassung) in den Jahren 2014 – 2016 jährlich zwischen EUR 200.000 in Griechenland und EUR 23,8 Mio. in Frankreich (Deutschland und einige andere Ländern waren nicht erfasst). Durch Gebühren der Hersteller ließe sich zwar möglicherweise der weitere Aufbau von Ressourcen (teilweise) finanzieren. Die grundlegenden Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten würden dadurch aber wohl nicht beseitigt werden...[mehr]