Viele hatten im Vorfeld des Stichtags der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine regelrechte Abmahnwelle befürchtet. Die Abmahnwelle ist ausgeblieben. Bislang aber unbeantwortet bleibt die Frage, ob DSGVO-Verstöße überhaupt wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden können. Zu dieser umstrittenen Frage gibt es nun schon vier unterschiedliche Entscheidungen und eine nicht ganz eindeutige Stellungnahme der EU-Kommission.
Erlaubt die DSGVO wettbewerbsrechtliche Abmahnungen?
Der Meinungsstreit hatte sich angesichts der Regelung der DSGVO verschärft. In den Art. 77 DSGVO sind verschiedene Möglichkeiten aufgelistet, wie Betroffene gegen Datenschutzverstöße vorgehen können – wettbewerbsrechtliche Ansprüche werden aber nicht genannt. Unklar ist, ob die DSGVO hier abschließend sein soll oder nicht. Daher ist zusätzlich zur wettbewerbsrechtlichen Problematik nun auch umstritten, ob eine wettbewerbsrechtliche Durchsetzbarkeit der DSGVO überhaupt EU-rechtskonform ist.
So wird auch die Auffassung vertreten, die DSGVO enthalten in den Art. 77-84 abschließende Regelungen über die Rechtsfolgen von Datenschutzverstößen, die eben keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche vorsehen. Und anders als es das vorherige Verhältnis von BDSG a.F. und UWG ausgestaltet war, besteht nun ein Anwendungsvorrang der DSGVO vor nationalem Recht.
Die Verbraucherzentrale hingegen äußert sich kritisch zu dieser Interpretation der unionsrechtlichen Vorschriften. Das Unionsrecht stehe der Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen nicht entgegen. Im Gegenteil gebiete der Grundsatz des „effet utile“ eine möglichst möglichst wirksame Rechtsdurchsetzung der Europäischen Verordnung. Datenschutzbehörden alleine seien nicht in gleichem Umfang in der Lage, DSGVO-Verstöße zu verfolgen und zu sanktionieren.
Letztlich bleibt aber mit Anwendbarkeit der DSGVO hier eine zusätzliche Rechtsunsicherheit.
Enthält die DSGVO überhaupt Marktverhaltensregeln?
Voraussetzung für die Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen ist, dass es sich bei den betroffenen DSGVO-Normen um sog. marktverhaltensregelende Normen iSd.
§ 3a des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) handelt. Nur dann ist überhaupt der Anwendungsbereich für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung nach dem UWG eröffnet. § 3a UWG setzt dafür voraus, dass die Norm zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ein abmahnfähiger Verstoß muss außerdem geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Wenn also Regelungen der DSGVO das Marktverhalten regeln sollten, muss ein Gericht zudem prüfen, ob dies auch im Interesse von Wettbewerbern als Marktteilnehmern geschieht...[mehr]