RICHARD BOORBERG VERLAG

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17.03.2020

Valentine Lemonnier; Prof. Dr. Robin van der Hout

Europäische Kommission auf Abwegen?

Die Einstufung von Titandioxid als Gefahrenstoff

openlens - Fotolia

Rund um ein kleines weißes Molekül ist in den vergangenen Monaten in Brüssel eine Grundsatzdebatte um die Kompetenzen der Europäischen Kommission und die ewige Frage der Überregulierung entbrannt. Die neuen Kennzeichnungspflichten müssen nun bis zum 01.10.2021 umgesetzt werden. Betroffene Unternehmen können dagegen noch bis zum 13.05.2020 klagen.

Die Kommission hat am 04.10.2019 beschlossen, Titandioxid als „Karzinogen Kategorie 2“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/1243 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 (im Weiteren „CLP-VO“) einzustufen. Dies löst für Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender umfangreiche Kennzeichnungspflichten aus und hat auch Auswirkungen auf den Umgang mit Titandioxid in Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen. Aufgrund der Bedeutung von Titandioxid für viele Industriezweige waren die Vorbehalte in der Industrie entsprechend groß.

Titandioxid ist ein Weißpigment mit vielfältigen Anwendungsformen. Im europäischen Wirtschaftsraum (EWR) werden jährlich etwa 1,1 Millionen Tonnen Titandioxid hergestellt, was 20 % der weltweiten Produktion entspricht. Dabei ist Deutschland der Spitzenreiter mit einem Produktionsanteil von fast einem Drittel (Quelle: TDMA). Aufgrund seiner starken Deckungskraft ist Titandioxid vornehmlich in Farben, Lacken und Kunststoffeinfärbungen zu finden. Aber auch in Laminatpapier, Kosmetik und Spielzeug ist es enthalten, kurzum: überall dort, wo eine starke farbliche Deckkraft erzielt werden soll. Deswegen ist Titandioxid in der EU auch als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen, etwa in Zahnpasta (Kennung E171), wobei Frankreich hier zuletzt vorpreschte und die Verwendung von Titandioxid in Lebensmitteln untersagte.

In einer selten beobachteten Schärfe stehen sich Kommission und Industrie gegenüber und scheinen die jeweiligen Argumente der Gegenseite nicht nachvollziehen zu können. Nachfolgend wird ein Überblick über die im Zentrum stehenden Argumente gegeben....[mehr]

Valentine Lemonnier
Prof. Dr. Robin van der Hout
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