„Heimat riecht: Nach Harz und nach Heu, nach Leder, nach Kuchenbacken, nach Ruß und Rauch: Sie riecht jedenfalls und kündet nach Leben“, schrieb Christian Graf von Krockow 1984 in der ZEIT. Der aus Pommern stammende Politikwissenschaftler entwarf ein Bild von Heimat, das vermutlich viele Menschen teilen: Es ist das eines ländlichen, romantischen Sehnsuchtsorts, der den Einstieg in die Natur und Ruhe jenseits der Hektik der Großstadt verheißt. Doch während die einen Wald und Wiesen lieben, beschweren sich die anderen über Sozialkontrolle und überkommene Traditionen.
Wozu noch Dörfer?
Heute stehen Dörfer und Kleinstädte in Sachsen und in ganz Deutschland vor großen Herausforderungen. Einst Orte der Land- und Forstwirtschaft, sind sie heute oft nur noch Schlafstätten. Die deutsche Landwirtschaft erbringt nur noch 0,9 Prozent der deutschen Volkswirtschaft. Manches Dorf steht sogar komplett vor dem Aus, wenn keine Arbeitsplätze in erreichbarer Nähe sind, das Vereinswesen erlahmt und der gesellschaftliche Zusammenhalt schwindet.
Doch Land ist nicht gleich Land: Während im Münsterland Vollbeschäftigung herrscht, findet sich in Vorpommern, im Hunsrück oder der Lausitz deutlich weniger Wirtschaftskraft. Aus Orten wie Zittau, Riesa oder Hoyerswerda sind deshalb seit 1990 bis zu 48% der Bevölkerung abgewandert.
Dagegen wachsen die Ballungsräume wie das Rhein-Main-Gebiet oder die Rhein-Ruhr-Schiene mit erstaunlicher Geschwindigkeit. In Sachsen erfreuen sich vor allem die Städte Leipzig und Dresden eines großen Zulaufs – und wissen kaum noch, wie sie den Wohnbedarf, die Nachfrage nach Schulen und Kitas befriedigen können. All diesen Großstädten ist gemeinsam, dass sie Cluster aus florierender Wirtschaft, innovativer Forschung, einer breiten Kulturlandschaft, einem attraktiven Einzelhandel und Nischen für unterschiedliche Lebensstile bilden. Deshalb sind sie für viele, meist sehr unterschiedliche Menschen attraktiv.
Älter, weniger, bunter
Stadt ist nicht gleich Stadt und Land ist nicht gleich Land – doch eines haben alle gemeinsam: Ganz Deutschland steckt mitten im demografischen Wandel. Dieser besitzt im Kern drei Dimensionen: Die Bevölkerung wird älter, sie schrumpft und sie wird heterogener. Wie weit sich die Bevölkerung verändert, hängt davon ab, wie sich die Fertilitätsrate, die Lebenserwartung und die Migrationsquote entwickeln. Da die Geburtenrate und die Lebenserwartung stark von persönlichen Entscheidungen abhängig sind, lässt sich im Grunde nur der Faktor Migration politisch steuern. Dazu braucht es aber einen gesellschaftlichen Konsens...[mehr]