In den letzten Monaten ist in verschiedenen Bundesländern eine lebhafte Diskussion über eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags entstanden. In Nordrhein-Westfalen hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zu einer solchen Abschaffung in den Landtag eingebracht, in Sachsen-Anhalt hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag angekündigt; die Fraktion Die Linke will mit einem Gesetzentwurf die Diskussion im Landtag in Magdeburg anschieben.
In Brandenburg hat die Vereinigung BVB/Freie Wähler eine Volksinitiative zur Abschaffung des Straßenbaubeitrags gestartet. In Thüringen sollen sich die Regierungsfraktionen auf eine Abschaffung schon mit Wirkung zum 1. Januar 2019 geeinigt haben. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz sollen die Straßenbaubeiträge vor dem Aus stehen. In Bayern sind die Straßenbaubeiträge noch kurz vor der Landtagswahl im Oktober 2018 rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft worden.
Die Anti-Straßenbaubeitrag-Bewegung wird namentlich in den neuen Bundesländern in der Presse nahezu durchgehend damit begründet, die „Bürger“ müssten von Beitragszahlungen befreit werden, die Beiträge seien unsozial und könnten der „Bevölkerung“ nicht mehr zugemutet werden. Dazu ist zunächst klarzustellen: Straßenbaubeiträge werden in Deutschland – ebenso wie Erschließungsbeiträge – seit weit über 100 Jahren ausschließlich von Grundeigentümern (bzw. Erbbauberechtigten, die jedoch ebenso wie – in den neuen Bundesländern – „sonst dinglich zur baulichen Nutzung“ Berechtigte im Folgenden vernachlässigt werden sollen), nicht aber von Mietern oder von durch ein Nießbrauchsrecht zum Wohnen berechtigte Personen erhoben. Zwar ist jeder Grundeigentümer ein Bürger, nicht aber jeder Bürger ein Grundeigentümer. Beispielsweise in Berlin sind lediglich etwa 10% der Bürger Grundeigentümer. In rein ländlichen Regionen mag sich die Anzahl der Grundeigentümer gelegentlich der Anzahl der Bürger annähern, doch ändert das nichts daran, dass dies in städtischen Regionen regelmäßig völlig anders ist. Kurzum: Die Annahme, alle Bürger bzw. die „Bevölkerung“ würden durch Straßenbaubeiträge belastet, ist schlicht unzutreffend.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für eine Diskussion über die Abschaffung des Straßenbaubeitrags drei sozusagen zentrale Fragen, nämlich ob – erstens – eine solche Abschaffung wegen einer – im Verhältnis zur Allgemeinheit – ungebührlichen Belastung der Grundeigentümer veranlasst ist, ob sie – zweitens – etwas für die Lösung des Problems der Deckung des für den gemeindlichen Straßenbau entstehenden Aufwands hergibt und ob sie – drittens – zu einer Befriedung der Bevölkerung in der jeweiligen Gemeinde beiträgt. Die Antworten auf diese Fragen sollen letztlich dem Leser überlassen bleiben.
Ist eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags wegen einer – im Verhältnis zur Allgemeinheit – ungebührlichen Belastung der Grundeigentümer sachlich veranlasst?
1. Straßenbaubeiträge werden typischerweise für die Kosten der Verbesserung oder Erneuerung einer verschlissenen Gemeindestraße erhoben, und zwar von den Grundeigentümern, deren angrenzende Grundstücke durch diese Straße erschlossen und bebaubar gemacht worden sind. Ob der Gebrauchswert solcher Grundstücke durch einen beitragsfähigen Ausbau der betreffenden Verkehrsanlage steigt und damit deren Grundeigentümer bevorteilt werden, lässt sich – alle juristischen Überlegungen zum beitragsrechtlichen Vorteilsbegriff hinten gestellt – ganz einfach durch eine Gegenprobe beantworten: Baut die Gemeinde eine verschlissene Straße nicht aus, sondern lässt sie gleichsam „verrotten“, werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit Straße und angrenzende Grundstücke – nahezu – unbenutzbar, jedenfalls sinkt der Gebrauchswert dieser Grundstücke und erleiden deren Eigentümer dadurch einen Nachteil. Saniert die Gemeinde dagegen die Straße rechtzeitig, wird nicht nur ein solcher Nachteil vermieden, sondern es wird durch die gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit der erneuerten Straße dieser Gebrauchswert im Verhältnis zum Gebrauchswert während des Zeitraums des Verschlissenseins der Straße erhöht...[mehr]