RICHARD BOORBERG VERLAG

×

20.07.2020

Prof. Dr. Karl Heinz Hausner

Angriff auf die Unabhängigkeit der EZB

Das BVerfG schwächt die Gemeinschaftswährung

bluedesign - stock.adobe.com

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fordert mit seinem viel beachteten Urteil vom 05.05.2020 eine Überprüfung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) durch die Bundesregierung.

Hierin zeigt sich, dass es die Funktionsweise moderner Geldpolitik nicht versteht. Das müssen Juristen grundsätzlich wohl auch nicht, aber in diesem Fall könnte der Schaden immens sein.

Glaubwürdigkeit der Zentralbank

Glaubwürdigkeit ist für die Funktionsweise von Geldpolitik unabdingbar. So wurde die Ankündigung vom Juli 2012 vom damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, alles zu tun, um den Euro zu retten („whatever ist takes“), von den Märkten als glaubwürdige Ankündigung aufgefasst. Allein durch die Wirkung seiner Worte wurde die Eurokrise entschärft und die EZB musste das beschlossene OMT-Anleihenkaufprogramm („Outright Monetary Transactions“) überhaupt nicht aktivieren und keinen einzigen Cent dafür ausgeben.

Jetzt führt das Urteil des BVerfG zum gegenteiligen Ergebnis. Wenn die Unsicherheiten hinsichtlich der Verlässlichkeit der Geldpolitik steigen, müssen Notenbanken mehr intervenieren, um ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. So hat die EZB in der Woche der Urteilsverkündung Anleihen für den Rekordbetrag von 45 Mrd. EUR gekauft und damit fast doppelt so viel wie durchschnittlich in den sechs Wochen davor. Nur dadurch konnte der Zinsaufschlag (Spread) zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen in Grenzen gehalten werden. Denn wenn Investoren ein Land als unsicher einstufen, verlangen sie als Risikoprämie höhere Zinsen. Karlsruhe hat also ein Eigentor geschossen....[mehr]

Prof. Dr. Karl Heinz Hausner
Quelle: