RICHARD BOORBERG VERLAG

×

26.02.2019

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus

(Selbständige) Grünanlagen und Erschließungsvorteil

Baurechtlicher und beitragsrechtlicher Vorteilsbegriff

Gina Sanders - Fotolia

Die Gemeinde stellt im Jahr 2017 eine im Bebauungsplan ausgewiesene, etwa 35.000 qm große (selbstständige) Grünanlage erstmalig endgültig her, die unstreitig zur Erschließung des vom Bebauungsplan erfassten Baugebiets i. S. d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB (Art. 5a Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 BayKAG) notwendig ist.

I. Ausgangsfall

Die Gemeinde stellt im Jahr 2017 eine im Bebauungsplan ausgewiesene, etwa 35.000 qm große (selbstständige) Grünanlage erstmalig endgültig her, die unstreitig zur Erschließung des vom Bebauungsplan erfassten Baugebiets i. S. d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB (Art. 5a Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 BayKAG) notwendig ist. Herr E, dessen Grundstück ca. 150 m von der Grünanlage entfernt liegt, begehrt die Aufhebung des an ihn gerichteten Erschließungsbeitragsbescheids und macht geltend: Die Grünanlage vermittele keinen Erschließungsvorteil und mangels eines Erschließungsvorteils könne er nicht zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen werden. Das OVG Lüneburg habe noch im Beschluss vom 11.10.2018 (9 LA 37/18) ausdrücklich betont: „Der Erschließungsvorteil besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem, was die Erschließung für die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit (Nutzung) des Grundstücks hergibt“. Da die Grünanlage nichts für die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit (Nutzung) seines schon seit 1980 in vollem Umfang baulich ausgenutzten Grundstücks hergebe, unterliege sein Grundstück nicht der Beitragspflicht für diese Erschließungsanlage. Dieses Vorbringen lenkt den Blick auf den Begriff des Erschließungsvorteils.

II. Entwicklung des Vorteilsbegriffs

Dem Begriff des Erschließungsvorteils kommt zentrale Bedeutung zu, sowohl im Rahmen des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB für die Ermittlung der durch eine erstmalig endgültig hergestellte beitragsfähige Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke als auch im Rahmen des § 131 Abs. 2 und 3 BauGB für eine vorteilsgerechte Verteilung des für eine solche Anlage entstandenen umlagefähigen Aufwands. Hier wie dort steht die Beantwortung der Frage im Mittelpunkt, worin der Erschließungsvorteil besteht oder worauf er beruht, wie der Begriff „Erschließungsvorteil“ zu verstehen ist.

1. Baurechtlicher und beitragsrechtlicher Vorteilsbegriff

Das zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Erschließungsvorteil“ letztinstanzlich berufene Bundesverwaltungsgericht ist zunächst von einem vornehmlich auf Anbaustraßen i. S. d. § 127 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausgerichteten Ansatz ausgegangen. Der in den 1970iger Jahren für Entscheidungen von Rechtsstreitigkeiten im Bereich des Erschließungsbeitragsrechts zuständige 4. (Bau-)Senat hat angenommen, der Erschließungsvorteil bestehe in eben der Erschließung eines Grundstücks oder „genauer: in dem, was die Erschließung für die bauliche (oder gewerbliche) Nutzbarkeit des betreffenden Grundstücks“ ausmacht; der maßgebliche Erschließungsvorteil sei daher „der Sache nach daran zu messen, was die Erschließung für die bauliche oder gewerbliche Nutzung hergibt“ (Urteil vom 25.2.1977 – 4 C 35.74 – NJW 1977,1549 = DVBl 1978,297). Bei diesem baurechtlichen Vorteilsbegriff muss – um beispielhaft darauf abzuheben – für eine vorteilsgerechte Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands von der Gemeinde eine (Maßstabs-)Regelung gewählt werden, die die Beitragshöhe an das Ausmaß der durch die hergestellte Erschließungsanlage ermöglichten baulichen Nutzbarkeit bindet.

Nach dem Übergang der Zuständigkeit in erschließungsbeitragsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten auf den 8. (Abgaben-)Senat Anfang der 1980iger Jahre, ist an die Stelle der mehr baurechtlichen eine beitragsrechtlich geprägte Betrachtungsweise getreten. Der daraus resultierende beitragsrechtliche Vorteilsbegriff stellt maßgeblich ab auf die durch die erstmalige Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage von einem Grundstück aus eröffnete – durch dessen räumliche Nähe zur Anlage qualifizierte – Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme; auf seiner Grundlage richtet sich das Ausmaß des einem Grundstück vermittelten Erschließungsvorteils nach dem Ausmaß der von ihm aus zu erwartenden (wahrscheinlichen) Inanspruchnahme der hergestellten Erschließungsanlage (u. a. Urteil vom 9.12.1994 – 8 C 6.93 – NVwZ 1995,1218 = KStZ 1996,73). Folglich muss – um wiederum diesen Aspekt zu betrachten – für eine vorteilsgerechte Aufwandsverteilung angeknüpft werden an Kriterien, die einen Rückschluss zulassen auf den voraussichtlichen Umfang der vom jeweiligen Grundstück ausgelösten Inanspruchnahme der betreffenden Anlage...[mehr]

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus
Quelle: