RICHARD BOORBERG VERLAG

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04.11.2020

Fes­te Feh­marn­belt­que­rung: Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt weist Kla­gen ab

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heu­te die bei ihm an­hän­gi­gen Kla­gen ge­gen den Plan­fest­stel­lungs­be­schluss für den deut­schen Vor­ha­ben­ab­schnitt der Fes­ten Feh­marn­belt­que­rung von Putt­gar­den nach Rødby ab­ge­wie­sen.

Ge­gen­stand des Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses vom 31. Ja­nu­ar 2019 ist ein kom­bi­nier­ter Stra­ßen- und Ei­sen­bahn­tun­nel, der die In­sel Feh­marn mit der dä­ni­schen In­sel Lol­land ver­bin­den soll. Der Tun­nel ist rund 18 km lang; et­wa die Hälf­te da­von ent­fällt auf den deut­schen Vor­ha­ben­teil. Das Bau­werk ist bis zu 47 m breit und bis zu 13 m hoch. Es wird aus Fert­ig­ele­men­ten zu­sam­men­ge­setzt. Die­se wer­den in ei­ner ei­gens hier­für auf Lol­land er­rich­te­ten Fa­brik her­ge­stellt und dann in ei­ne auf dem Mee­res­bo­den ge­gra­be­ne Rin­ne ab­ge­senkt. Der Tun­nel um­fasst in ge­trenn­ten Röh­ren ei­ne vier­strei­fi­ge Stra­ße, ei­ne zwei­glei­si­ge elek­tri­fi­zier­te Bahn­stre­cke so­wie ei­nen War­tungs- und Eva­ku­ie­rungs­kor­ri­dor. Nach dem der Pla­nung zu­grun­de­lie­gen­den deutsch-dä­ni­schen Staats­ver­trag von 2009 wird Dä­ne­mark die Fes­te Feh­marn­belt­que­rung auf ei­ge­ne Kos­ten er­rich­ten und be­trei­ben. Zu die­sem Zweck hat Dä­ne­mark ei­ne pri­va­te Ge­sell­schaft ge­grün­det. Die Kos­ten sol­len über Maut­ge­büh­ren und Schie­nen-Nut­zungs­ent­gel­te re­fi­nan­ziert wer­den.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat­te über ins­ge­samt sechs Kla­gen zu ent­schei­den. Klä­ger sind zwei Um­welt­ver­bän­de, drei Un­ter­neh­men - dar­un­ter die Be­trei­be­rin der be­stehen­den Fähr­li­nie Putt­gar­den-Rødby - so­wie die Stadt Feh­marn. Die Kla­ge­ver­fah­ren drei­er wei­te­rer Ge­mein­den so­wie ei­nes Land­wirts wur­den ein­ver­nehm­lich be­en­det. Die noch an­hän­gi­gen Kla­gen blie­ben oh­ne Er­folg.

Dem Vor­ha­ben fehlt es nicht an der Plan­recht­fer­ti­gung. Der Ver­kehrs­be­darf für die Fes­te Feh­marn­belt­que­rung ist ge­setz­lich fest­ge­stellt. Die Be­darfs­fest­stel­lung er­gibt sich aus dem deut­schen Zu­stim­mungs­ge­setz zu dem Staats­ver­trag. Dar­an ist das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ge­bun­den. Die Bin­dung ent­fällt nur, wenn die Be­darfs­fest­stel­lung evi­dent un­sach­lich ist oder sich die Ver­hält­nis­se so grund­le­gend ge­wan­delt ha­ben, dass das an­ge­streb­te Pla­nungs­ziel un­ter kei­nen Um­stän­den auch nur an­nä­hernd er­reicht wer­den kann. Ein der­ar­ti­ger Aus­nah­me­fall liegt hier nicht vor. Die EU-Kom­mis­si­on zählt die Feh­marn­belt­que­rung un­ver­än­dert zu den fünf wich­tigs­ten grenz­über­schrei­ten­den Pro­jek­ten des trans­eu­ro­päi­schen Ver­kehrs­net­zes. Die mit der Ver­wirk­li­chung des Pro­jekts ver­bun­de­ne Ver­kür­zung der Fahr­zeit zwi­schen Ham­burg und Ko­pen­ha­gen wird ab­seh­bar zu ei­ner Ver­la­ge­rung von Ver­keh­ren füh­ren, die der­zeit mit ei­nem er­heb­li­chen Um­weg über den Gro­ßen Belt ab­ge­wi­ckelt wer­den. Zwar bleibt auch dann das er­war­te­te Kraft­fahr­zeug­auf­kom­men deut­lich un­ter­halb der durch­schnitt­li­chen Aus­las­tung deut­scher Au­to­bah­nen. Da­von muss­ten die Ver­trags­staa­ten aber den Be­darf für ei­ne An­bin­dung der we­sent­lich dün­ner be­sie­del­ten und an der Pe­ri­phe­rie Eu­ro­pas ge­le­ge­nen skan­di­na­vi­schen Staa­ten an das kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­sche Ver­kehrs­netz nicht ab­hän­gig ma­chen.

Rechts­wid­rig ist die Pla­nung auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner feh­len­den Fi­nan­zier­bar­keit des Pro­jekts. Die Fi­nan­zie­rung ist grund­sätz­lich we­der Ge­gen­stand der Plan­fest­stel­lung noch ih­rer ge­richt­li­chen Über­prü­fung. Die zu Guns­ten der Be­trei­ber­ge­sell­schaft vor­ge­se­he­nen dä­ni­schen Staats­bei­hil­fen sind je­den­falls nicht evi­dent eu­ro­pa­rechts­wid­rig.

Der an­ge­grif­fe­ne Plan­fest­stel­lungs­be­schluss ver­stö­ßt nicht ge­gen das Na­tur­schutz­recht. So wur­de zum Schutz der im Feh­marn­belt le­ben­den Schweins­wa­le vor Bau­lärm ein vor­sorg­li­cher Grenz­wert fest­ge­setzt, der deut­lich un­ter dem Quell­pe­gel gro­ßer Schif­fe und Fäh­ren liegt. Für ei­ne even­tu­ell er­for­der­li­che Un­ter­was­ser­spren­gung von Mu­ni­ti­ons­alt­las­ten wer­den Ge­rä­te zur Er­zeu­gung ei­nes so­ge­nann­ten Bla­sen­schlei­ers vor­ge­hal­ten, der die Schall­aus­brei­tung um 90 % re­du­ziert. Ein­ge­hen­de Un­ter­su­chun­gen ha­ben auch plau­si­bel ge­macht, dass die Durch­füh­rung des Pro­jekts kein er­heb­li­ches Stö­rungs- oder gar Tö­tungs­ri­si­ko für Rast­vö­gel, ins­be­son­de­re die im Feh­marn­belt zahl­reich über­win­tern­den Ei­de­ren­ten, be­wirkt.

Im Hin­blick auf die im Feh­marn­belt vor­han­de­nen Rif­fe trägt die Pla­nung fer­ner dem Bio­top­schutz hin­rei­chend Rech­nung. Die Vor­ha­ben­trä­ger ha­ben ei­ne me­tho­disch ord­nungs­ge­mä­ße Be­stands­auf­nah­me er­stellt. Sie durf­ten sich da­bei auf ei­ne re­prä­sen­ta­ti­ve Be­pro­bung des Mee­res­bo­dens in dem gro­ßen Un­ter­su­chungs­ge­biet be­schrän­ken. So­weit Rif­fe im nä­he­ren Be­reich der Tun­nel­tras­se erst nach Er­lass des Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses durch ein wis­sen­schaft­li­ches For­schungs­pro­jekt der Uni­ver­si­tät Kiel er­kannt wor­den sind, führt dies nicht zur Rechts­wid­rig­keit des Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses. We­gen des ge­setz­li­chen Ver­bots, Bio­to­pe zu zer­stö­ren oder zu be­schä­di­gen, darf al­ler­dings das Vor­ha­ben in die­sem Be­reich nicht durch­ge­führt wer­den, oh­ne dass über ei­ne Ein­griffs­ver­mei­dung bzw. ei­ne Be­frei­ung von dem Ver­bot nach­träg­lich ent­schie­den wird. Zu die­sem Zweck ha­ben Vor­ha­ben­trä­ger und Plan­fest­stel­lungs­be­hör­de die Durch­füh­rung ei­nes er­gän­zen­den Ver­fah­rens an­ge­kün­digt.

Be­züg­lich der Aus­füh­rungs­va­ri­an­ten des Tun­nels durf­te sich die Plan­fest­stel­lungs­be­hör­de für ei­nen Ab­senk­tun­nel und ge­gen ei­nen Bohr­tun­nel ent­schei­den, ob­wohl die­ser un­ter Um­welt­ge­sichts­punk­ten güns­ti­ger ge­we­sen wä­re. Denn ein Bohr­tun­nel hät­te nicht nur ein Drit­tel hö­he­re Bau­kos­ten ver­ur­sacht, son­dern wä­re auch we­gen des er­for­der­li­chen Durch­mes­sers der Tun­nel­vor­triebs­ma­schi­nen, der Län­ge der Bohr­stre­cke und des ho­hen Was­ser­drucks mit un­ver­tret­ba­ren Ri­si­ken ver­bun­den ge­we­sen. Die Kos­ten wie auch die Bau­ri­si­ken hät­ten sich zwar mög­li­cher­wei­se durch ei­ne Ver­rin­ge­rung des Quer­schnitts der Tun­nel­röh­ren re­du­zie­ren las­sen. Solch ein „schlan­ker“ Bohr­tun­nel blie­be aber hin­ter dem für den Ab­senk­tun­nel vor­ge­se­he­nen Si­cher­heits­stan­dard zu­rück, den die Plan­fest­stel­lungs­be­hör­de we­gen der Län­ge des Tun­nels aus plau­si­blen Grün­den für er­for­der­lich hält.

Ein durch­grei­fen­der Ab­wä­gungs­feh­ler ist der Be­hör­de auch nicht in Be­zug auf die Be­lan­ge ein­zel­ner Klä­ger un­ter­lau­fen. Das gilt ins­be­son­de­re für das Un­ter­neh­men Scand­li­nes, das sei­nen Fähr­be­trieb auch nach dem Tun­nel­bau auf­recht­erhal­ten will. Der Fähr­ha­fen wird dann zwar über kei­ne kreu­zungs­freie Stra­ßen­an­bin­dung mehr ver­fü­gen. Die Pla­nung wur­de aber noch im lau­fen­den Ver­fah­ren op­ti­miert, ins­be­son­de­re durch ei­ne ei­ge­ne Ein­fä­de­lungs­spur vom Ha­fen auf die B 207 und ver­kehrs­ab­hän­gig ge­steu­er­te Am­peln, die auch künf­tig ei­ne zü­gi­ge Ent­lee­rung der Fäh­ren er­mög­li­chen.

BVer­wG 9 A 6.19 - Ur­teil vom 03. No­vem­ber 2020

BVer­wG 9 A 7.19 - Ur­teil vom 03. No­vem­ber 2020

BVer­wG 9 A 9.19 - Ur­teil vom 03. No­vem­ber 2020

BVer­wG 9 A 11.19 - Ur­teil vom 03. No­vem­ber 2020

BVer­wG 9 A 12.19 - Ur­teil vom 03. No­vem­ber 2020

BVer­wG 9 A 13.19 - Ur­teil vom 03. No­vem­ber 2020

Quelle:
Pres­se­mit­tei­lung Nr. 62/2020 vom 03.11.2020